Mina (German Edition)
Die Stadt dröhnt. Eine Eule schreit und eine Katze jault, ein Hund bellt und eine Sirene heult.
Wir lassen uns von den Sternen bescheinen.
Ich starre nach oben. Ist da draußen irgendjemand? Ganz bestimmt. Ist er wie ich? Gibt es da eine andere Mina und eine andere Mama, die durch die Dunkelheit, die für Millionen und Millionen und Millionen und Millionen von Jahren so weitergeht, zu uns schauen? Sind ihre Freuden und ihr Leid mit unseren vergleichbar? Werden wir jemals die Antworten auf solche Fragen erfahren? Und wie ist das alles überhaupt hierher gekommen? Und warum? Und wird es für immer da sein? Und was ist jenseits der Sterne und der Dunkelheit? Und was ist im Herzen aller Dinge?
Mama legt ihre Hände um meinen Kopf.
„Schau mal“, murmelt sie. „Ich kann beinahe deinen ganzen Kopf in meinen Händen halten, Mina. In deinem Kopf sind all diese Sterne, all die Dunkelheit, all diese Geräusche. Ich halte das Universum in meinen Händen.“
Sie zieht mich an sich. Sie legt ihren Kopf an meinen. „Zwei Köpfe, zwei Universen, miteinander verbunden.“
Nach einer Weile gehen wir nach Hause. Sie hält meine Hand, und sie ist glücklich.
Wir hal-ten uns an der Hand und ge-hen heim.
Wir ge-hen heim und hal-ten uns an der Hand.
Wir …
Wir kommen zu einer Straßenlaterne am Wegesrand, und plötzlich bleiben wir stehen. Wir fangen an zu tanzen. Wir glitzern im Lampenlicht wie Sterne, wie Fliegen, wie Staubflocken.
Außergewöhnliche Aktivität
Geh mit einem Strich spazieren.
Schaue dir an, was du gemalt hast, wenn du es gemalt hast.
Geh mit ein paar Wörtern spazieren.
Schau dir an, was du geschrieben hast, wenn du es geschrieben hast.
Geh mit dir selbst spazieren.
Schau dir an, wohin du gegangen bist, wenn du angekommen bist.
Außergewöhnliche Aktivität
Schau dir die Sterne an.
Reise durch Zeit und Raum.
Halte deinen Kopf in den Händen und werde dir bewusst, dass du außergewöhnlich bist.
Erinnere dich daran, dass du nur Staub bist. Denke daran, dass du ein Stern bist.
Stelle dich unter eine Straßenlaterne.
Tanze und glitzere in ihrem Licht.
Außergewöhnliche Aktivität
Lausche auf die zerbrechlichen und kraftvollen Dinge in deinem Herzen.
Ein Traum von Pferden
Kurz bevor ich an diesem Abend ins Bett gehe, schaue ich noch mal aus dem Fenster. In dem Haus, das ich insgeheim immer noch Mr Myers’ Haus nenne, brennt Licht. Schattenfiguren bewegen sich hinter den Fenstern. Ich denke an das Baby und hoffe, dass sie friedlich schläft. Ich lasse die Vorhänge offen. Der Mond, der alle verrückt macht, steigt auf und sein Licht fällt auf mich. Ich zittere. Fühlen alle Menschen diese Erregung, dieses Erstaunen, wenn sie aufwachsen? Ich schließe die Augen und starre in das Universum in mir selbst. Ich fühle mich, als ob ich auf der Schwelle zu etwas ganz Wunderbarem stehe.
Endlich schlafe ich ein.
Ich träume. Was für ein seltsamer Traum! Überall im Nachthimmel sind Tiere und außergewöhnliche Wesen, all die Tiere und Geschöpfe, die Menschen jemals erdacht haben.
Und während ich noch hinaufstarre und sie betrachte, fallen sie zu mir herab, eins nach dem anderen.
Ich träumte von Pferden
Ich träumte von Pferden, die vom Himmel fielen.
Ich träumte von Schlangen, die vom Himmel fielen.
Ich träumte von Bären und Ziegen und Krebsen und Echsen,
die vom Himmel fielen.
Ich träumte von den Zentauren, von Pegasus,
von Dädalus und Ikarus,
die vom Himmel fielen.
Ich träumte vom Archäopteryx,
der vom Himmel fiel.
Ich träumte von Eulen und Löwen,
Fledermäusen und Stieren und Fischen
und Widdern und Engeln,
die vom Himmel fielen.
Und all die Pferde und die Schlangen,
die Bären und Ziegen, die Krebse und Echsen,
die Zentauren und Löwen
und Pegasus und Dädalus
und Ikarus und der Archäopteryx
und Eulen und Fledermäuse und Stiere und Fische
und Widder und Engel
landeten in meinem Zimmer,
versammelten sich um mein Bett
und flüsterten mir ins Ohr:
Wach auf, Mina. Wach auf. Es ist Zeit zu erwachen.
Ich erwache. Es ist früher Morgen. Und ich bin immer noch so nah bei meinem Traum, dass ich fast das Schnauben und Stampfen hören kann, das Rauschen der Schwingen. Ich kann beinahe die Hitze der Kreaturen neben meinem Bett fühlen. Dann verschwindet der Traum-nach-dem-Traum und ich bin allein mit meinem Zimmer und der Stille. Aber es ist nicht wirklich still. Die Stadt dröhnt. Mein Herz schlägt. Mama atmet leise im Zimmer nebenan.
Ich gehe nach unten. Mache mir einen Kakao und Toast.
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