Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
Nell
auf ihrem Stuhl hin und her und wäre dabei fast mit dem langen Kleid hängen
geblieben das ihr Violet geliehen hatte. Es war ein herrliches blaues
Tageskleid, prächtiger als alles, was sie je getragen hatte Ein wahrer Traum.
Dennoch fühlte Nell sich sehr unbehaglich darin. Sie kam sich vor wie eine
Schwindlerin, eine Hochstaplerin. Und der Blick, mit dem Lady Denver sie
gemustert hatte, als sie sie in dem Kleid sah, bestätigte dieses Gefühl. Nell
hegte den Verdacht, dass sie nur zu gerne eine gehässige Bemerkung gemacht
hätte, sich aber nicht traute, nachdem Nell von Prinzessin Angelica
ausdrücklich als Freundin der Familie vorgestellt worden war.
Genau in diesem
Moment erklang erneut Lady Denvers gekünsteltes Lachen.
»Dumme, aufgeblasene
...«, murmelte Nell ergrimmt.
»Und wer hat sich
jetzt schon wieder den Zorn meines Eheweibs zugezogen?«
Er hatte sie vermisst.
Alles an ihr hatte er vermisst, wie ihm jetzt klar wurde: ihren Rosenduft,
den anmutigen Schwung
ihrer Wange, den überraschten Ausdruck in ih rem Gesicht. Ihr süßer Mund stand offen,
und es reizte ihn,
ihre vollen Lippen zu küssen. Ja, er hatte sie vermisst, mehr vermisst, als
jede Frau zuvor.
Mikhail, du bist wieder da«,
flüsterte sie, die Augen beinahe hungrig auf seine Züge
gerichtet, als könne sie es kaum glauben, ihn zu sehen.
»Ichsagte doch, dass ich euch
folgen würde.«
Sie blinzelte, konnte
ihre feuchten Augen aber nicht vor seinem scharfen Blick verbergen.
»Was ist?« Er hob ihr Kinn.
»Ach, bei Athenes Bogen, lass
das, Mikhail!«, zischte sie ihn an und warf einen verlegenen Blick zu der
Damen gruppe, die am anderen Ende
des Zimmers zusammensaß. Mikhail folgte ihrem Blick. Erst jetzt bemerkte
er seine Schwester und seine Cousine
inmitten der lebhaft schwat zenden Gruppe. Schön wie immer, fand er, und
sichtlich glücklich, jetzt wo sie ihre
Kinder wieder in den Armen hielten. Mikhail selbst wurde
in diesem Moment von einem so intensiven Glücksgefühl erfasst, dass
er bebte.
»Danke, Nell. «
»Ich ... Was?«
Verwirrt über diesen plötzlichen Themenwechsel, sah Nell ihn misstrauisch an.
Mikhail nahm sie bei der Hand und schaute ihr tief in die Augen. Sein Blick
verriet mehr, als ihm vielleicht lieb war.
»Ohne dich hätte ich
das alles nie geschafft, Nell. Dank dir ist uns nichts zugestoßen, und ...«
»Mikhail!«
Angelica war
aufgesprungen und kam nun mit ausgebreiteten Armen auf ihn zugelaufen. Noch ehe
er etwas sagen konnte, hatte sie sich ihm bereits an den Hals geworfen.
»Da bist du ja endlich!«
Mikhail musste sich
erst aus Angelicas Würgegriff be-»Vielleicht sollten wir dieses Wiedersehen an einen,ä hm, etwas privateren
Ort verlegen?«
Angelica schaute
lachend zu ihm auf. »Ich hab dich vermisst, du Idiot.«
»Ich dich auch,
Angel.«
»Und ich dich auch,
selbst wenn ich's nicht zeigen kann weil ich meine Arme voller Kinder habe. Und
außerdem eine größere Selbstbeherrschung, zumindest vor Publikum. Nicht dass
ich Publikum nicht gewöhnt wäre«, lachte Violet.
»Gut, gut, Violet,
ich hab schon verstanden!«, flüsterte Angelica, nahm Mitja wieder an sich und
gab Mikhail einen Schubs in Richtung Tür. Dieser zögerte, wollte Nell
mitziehen, doch in diesem Moment drang Lady Denvers schrille Stimme an ihre
strapazierten Ohren.
»Mikhail, sind Sie
das?«
Als Mikhail klar
wurde, dass er jede Sekunde von einer Horde teeschlürfender Damen überrannt
werden würde, ließ er alles stehen und liegen und flüchtete mit Angelica und
Violet in die Bibliothek.
»Und jetzt erzähl uns
alles!«, rief Violet aufgeregt aus.
Mikhail lächelte
seine Cousine an, dann nahm er beiden Frauen die Kinder ab und ließ sich im
nächstbesten Sessel nieder. Mitja griff mit einer molligen Hand nach seinem
Gesicht und Katja giggelte.
»Fröhlich wie immer.«
Er überlegte. »Glaubst du, dass sie sich an das, was passiert ist, erinnern
werden?«
»Ich hoffe nicht!«,
erwiderte Angelica stirnrunzelnd.
Dann setzte sie sich
neben ihre Cousine aufs Sofa und schlug die Beine auf höchst unprinzessinnen-,
aber typisch angelicahafte Weise unter. »Also, erzähl schon!«
»Was willst du denn
hören, Angel?«, fragte Mikhail grinsend. »Ich bin einfach froh, dass es vorbei
ist und dass niemandem etwas zugestoßen ist.«
»Ich weiß, aber wo
warst du? In deinem Brief hast du ja kaum was verraten!«, beschwerte sich
Angelica.
Violet nickte
energisch. »Komm schon, lieber Cousin! Wir möchten wissen, was passiert ist
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