Mina_Hepsen_03-Unsterblich wie die Liebe
denke, das reicht für heute.
Sie können doch inzwischen mit dem Kleid anfangen, nicht wahr, Miss Baudette?«
»Gewiss, Prinzessin.
Wir kommen dann morgen wieder.« Die Schneiderin knickste ehrerbietig und
entfernte dann mit flinken Fingern die Nadeln und Stoffbahnen, in die sie Nell
gewickelt hatten. Und schon war sie mit ihrer kleinen Assistentin verschwunden.
Sobald sich die Tür
hinter ihnen geschlossen hatte, warf Violet ihrer Cousine einen verwirrten
Blick zu. »Du hast doch gesagt, wir müssen möglichst früh mit der Anprobe
beginnen, damit das Kleid auch wirklich bis zu Margarets Ball fertig wird!«
Margarets Ball. Unglaublich, wie
beiläufig, ja familiär Lady Violet von der Herzogin redete. Andererseits war
Violets Cousine eine Prinzessin, aber trotzdem! Nell hatte Mühe, sich nicht von
all den Titeln, die hier herumschwirrten, einschüchtern zu lassen. Und jetzt
auch noch eine Herzogin! Und diese spezielle Herzogin Margaret hatte Angelica
gebeten, Nell doch zu ihrem Ball mitzubringen! Ein Ball! Sie hätte lachen
können, wenn sie nicht so nervös gewesen wäre.
Aber sosehr sich Nell
auch für dieses Thema interessierte, jetzt wollte sie vor allem eins: sich nach
dem langen Stehen endlich hinsetzen. Da jedoch auf allen Stühlen irgendwelche
Stoffbahnen lagen, setzte sie sich kurzerhand zu den beiden Frauen und den
Kindern aufs Bett. Angelica und Violet stritten noch immer über die Zeitfrage,
als Nell sie unterbrach.
»Ich frage nur
ungern, aber sind Sie sicher, dass den Kindern auf dem Ball nichts zustoßen
kann?«
»Hören Sie auf, sich
zu sorgen, Nell!«, rief Angelica und fiel ihrer Cousine dabei mitten ins Wort,
was diese zwar nicht überraschte, aber ein wenig verstimmte. »Alles wird gut.
Außerdem hat Margaret Sie jetzt schon ins Herz geschlossen. Sie konnte gar
nicht aufhören, Ihre Backkünste zu loben, nachdem ich ihr ein paar von Ihren Zitronen-
und Vanille-Scones geschickt habe. Alexander sagte, sie habe James - das ist
der Herzog - gebeten, ihn zu bitten, mich zu bitten, Sie zu bitten, ob Sie
nicht noch ein paar davon machen könnten für morgen.«
Nell, die schon nach
dem zweiten oder dritten »zu bitten« nicht mehr mitgekommen war, war im
Begriff, Angelica zu bitten, diesen Satz noch einmal zu wiederholen, doch
Violet kam ihr zuvor.
»Manchmal redest du
solchen Unsinn, dass ich mir Sorgen um dich mache, Cousine«, schimpfte sie. »Im
Übrigen gibt es wichtigere Themen, nicht wahr?«
Nell, die nicht
wusste, was damit gemeint war, schaute erwartungsvoll zwischen beiden Frauen hin
und her. Natürlich war es Angelica, die die Bombe platzen ließ.
»Wie war's denn so,
mit meinem Bruder verheiratet zu sein?«
»W ... wie bitte?«
Bei Galileos Teleskop, wo war diese Breitseite hergekommen? Nell rang blinzelnd
um Worte.
»Ach, nun werden Sie
nicht gleich rot, Nell. Es tut mir leid, ich wollte Sie nicht in Verlegenheit
bringen«, beeilte sich Angelica zu versichern.
»Dann solltest du
vielleicht weniger unverblümt sein, Angelica«, rügte Violet sie. »Nicht jeder
ist deine unkonventionelle Art gewöhnt!«
»Das sagst gerade
du!«, empörte sich die Prinzessin. Dann tätschelte sie begütigend Nells Hand.
»Es ist nur so - Violet und ich, wir brennen vor Neugier. Mikhail war es bisher
noch nie ernst mit dem schönen Geschlecht, und als ich dann hörte, dass er ...,
dass er den ... den braven ...«
»Ehemann?«, warf
Violet verschmitzt ein.
»... gespielt hat«,
ergänzte Angelica dankbar - sehr zu Nells Entsetzen -, »nun, da haben wir uns
gefragt, ob, nun ja, ob er gut zu Ihnen war?«
Gut zu ihr? Was immer
Nell auch erwartet hatte, wie Angelicas Satz enden könnte, so bestimmt nicht.
Kannte sie ihren Bruder denn gar nicht? Wusste sie denn nicht, dass er gar
nicht unfreundlich oder lieblos sein konnte?
»Natürlich war er gut
zu mir! Mikhail ist ein durch und durch ehrenhafter, netter Mann, ich ...«
Erst jetzt bemerkte
sie das triumphierende Glitzern in Angelicas Augen und schalt sich dafür, auf
die andere hereingefallen zu sein.
»Ja, er war gut zu
mir«, fuhr sie verstimmt fort.»Und was das ›ernst meinen« betrifft, da
haben Sie wohl Lady Denver vergessen. Mit ihr scheint es ihm ja ziemlich ernst zu sein.«
»Ach ja?«, sagte
Angelica überrascht und keineswegs überzeugt.
»Ja natürlich«, fuhr
Nell frustriert fort. »Lady Denver hat mir selbst erzählt, wie lange ihr Mik
...« Nell merkte, wie unpassend es war, ihn weiterhin so einfach beim Vornamen
zu nennen und
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