Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
diesmal noch schwerer. »Über David.« Es war keine Frage.
Er antwortete trotzdem. »Ja«, sagte er.
»Was weißt du denn noch nicht«, fragte sie und beugte sich auf ihrem Stuhl vor, »nachdem du schon längere Zeit in meinem Kopf verbracht hast?«
»Ich weiß noch gar nicht viel«, gestand er. »Ich habe mich darauf konzentriert, dich aus dieser Erinnerungsschleife rauszubekommen.«
Sie lehnte sich wieder zurück und sah ihn bloß an. Wieder wartete er.
»Du hast mich vorhin gefragt, ob ich darüber reden will«, sagte Anna. »Ich hätte dich dasselbe fragen sollen. Ich konnte dich spüren. Bei mir. Es hat es zuerst noch schlimmer gemacht, weil ich gemerkt habe, dass es das erste Mal war, dass dir so was passiert. Das hat mich alles noch intensiver erleben lassen. Deine Gefühle. Die Ungläubigkeit und Machtlosigkeit.«
Die Vorstellung, dass er die Erinnerung für sie noch schlimmer gemacht hatte, war schrecklich. »Gott, das tut mir leid.«
» Du entschuldigst dich bei mir? Machst du Witze? Du bist zurückgekommen. Das hättest du nicht tun müssen, aber das hast du. Was ich sagen will: Auch wenn es nicht dir passiert ist, ist es das irgendwie doch, und du hattest keine zwei Jahre, um damit klarzukommen. Ich hätte dich vorwarnen sollen –«
»Und ich hätte in der Lage sein müssen, dich aus dieser Schleife zu reißen«, unterbrach Bach sie. »Sofort. Aber ich konnte es nicht. Und, ja, ich will mit dir darüber reden, denn es …« Er unterbrach sich. Holte Luft. »Denn es macht mir ganz schön zu schaffen. Aber heben wir uns das für später auf, wenn wir Nika wiederhaben, okay?«
Anna nickte und blickte auf ihre Hände hinab, die sie fest in ihrem Schoß verschränkt hatte.
»Fangen wir mit dem Grundlegenden an«, sagte Bach ruhig. »David. Wer war er?«
»Er war mein Chef, zumindest am Anfang«, sagte Anna. »Es war … kompliziert.« Sie blickte zu ihm auf. »Eigentlich war es das gar nicht, aber das habe ich mir immer gesagt. Es ist kompliziert . Aber eigentlich war es ganz einfach. Er war verheiratet. Das wusste ich, und … Ich ließ ihn zu nah heran.« Sie schloss die Augen. »Gott, ich war so dumm. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, aber er war so …«
Sie zwang sich, Bach anzusehen, und er konnte die Scham in ihren Augen sehen. Er hatte Überzeugungskraft«, fuhr sie fort, »und ich …« Sie schüttelte den Kopf. »Es war falsch, und trotzdem habe ich es gemacht. Und eines Tages bin ich aufgewacht und habe endlich getan, was ich von Anfang an hätte tun sollen, und eine Versetzung beantragt. Aber da war es schon zu spät. Der Schaden schon passiert. Und er ist ein bisschen durchgedreht. Kam bei mir zu Hause vorbei. Hat mich angefleht zurückzukommen. Mir Nachrichten hinterlassen, wie sehr er mich liebe. Mir in der Kantine eine Szene gemacht … Jessica, seine Frau, bekam das mit der Affäre natürlich raus. Und auch wenn es schon vorbei war, muss sie nachträglich was gedreht haben … Es muss sie gewesen sein. Irgendwie hat sie es hingekriegt, dass es so aussah, als hätte ich ihn, David, bestohlen – als hätte ich wichtige Dokumente an die Konkurrenz verkauft. Er war der Vorsitzende der Forschungs- und Entwicklungsabteilung einer Firma, die … Ach, ist egal. Oder vielleicht doch nicht, weil es so blöd ist. Eine Sache, an der wir arbeiteten, war die Entwicklung von Würzmitteln – wie Ketchup und Senf –, die nicht nur unverderblich waren, sondern auch weder Kalorien noch einen Nährwert hatten. Sozusagen – keine Ahnung – aromatisierte Farbstoffe? Das Zeug war genauso widerlich, wie es sich anhört, und als es an Verbrauchern getestet wurde, floppte es gnadenlos – niemand wollte es. Das gesamte Projekt sollte aufgegeben werden, alle wussten das, aber … Ich hätte mich von ihm fernhalten sollen, nachdem Schluss war, doch er rief mich an und sagte, er habe einen Ohrring gefunden, den ich vor Monaten verloren hatte – er hatte meiner Mutter gehört, und ich wollte ihn wiederhaben. Ich hatte noch nicht von den verschwundenen Dokumenten gehört, also fuhr ich in sein Stadthaus, um den Ohrring zu holen. Mag sein, dass ich mich auch noch mal bei ihm entschuldigen wollte. Aber er hatte den Ohrring nicht – oder zumindest hat er ihn mir nicht gegeben. Stattdessen hat er mir aufgelauert. Er hat mich der Industriespionage beschuldigt. Er sagte, ich hätte ihn von Anfang an ausgenutzt, um an diese chemischen Analysen zu kommen. Und dann hat er mich geschlagen. Ich habe
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