Mindhunter - Tödliche Gabe (German Edition)
versucht, ihm zu entkommen, aber … Den Rest kennst du ja.«
Allerdings. »Wie lang wart ihr zusammen?«
»Zwei Wochen«, sagte Anna, und plötzlich quollen Tränen aus ihren Augen, und er wusste, dass ihre Scham fast unerträglich war. »Es begann auf einer Geschäftsreise nach Phoenix. Und als wir zurück waren, ging es weiter, und …« Sie schüttelte den Kopf und kämpfte ihre Tränen zurück.
»Zwei Wochen ist nicht sehr lang.«
»Nun, es war zwei Wochen zu lang«, entgegnete sie.
»Du hast gesagt, dass er zu dir nach Hause gekommen ist«, bohrte Bach nach. »Nachdem Schluss war …«
Sie wusste, worauf er hinaus wollte, und nickte. »Ja. Einmal. Und er kam nur einmal vorbei während der zwei Wochen, in denen wir« – sie räusperte sich – »miteinander geschlafen haben. Und es war, als ich ihn mit Nika gesehen habe … Ich weiß noch, wie ich gedacht habe, Gott, ich kann nicht zulassen, dass sie sich auch in ihn verliebt. Am nächsten Tag habe ich es getan. Ich habe Schluss gemacht. Und die Versetzung beantragt – ich gehörte zu einem Pool von Sekretärinnen. Ist das nicht ein furchtbares Klischee? Die Sekretärin mit dem Chef …? Jedenfalls habe ich mir sofort freigenommen, und Nika und ich haben die Stadt verlassen. Als wir zurückkamen, war ich in einer anderen Abteilung. Nicht, dass ihn das davon abgehalten hätte, mich Tag und Nacht anzurufen.«
»Erzähl mir davon, wie er bei dir war, nachdem Schluss war«, sagte Bach.
»Er war betrunken«, sagte Anna. »Und er hat angefangen zu weinen und zu fluchen und … er ist total in die Luft gegangen. Nika bekam es mit der Angst zu tun. Und ich auch. Ich habe sie gebeten, in ihr Zimmer zu gehen, was sie tat, und dann habe ich David nach draußen verfrachtet. Ihm ein Taxi gerufen, und … Als ich wieder reinkam, wollte Nika nicht darüber sprechen, also … haben wir beide so getan, als wäre es nie passiert.«
»Nach der Vergewaltigung«, sagte Bach. »Was hast du da gemacht? Bist du nach Hause gefahren?«
Anna nickte. »Ich habe geduscht und … Abendessen für Nika gemacht. Am nächsten Morgen habe ich eine Nachricht von der Personalabteilung bekommen, dass ich nicht zu kommen brauche – weil ich gefeuert sei. Ich habe mich nicht dagegen gewehrt. Ich wollte gar nicht.«
»Du hast nicht dagegen geklagt?«, fragte er.
Sie sah ihn bloß an.
»Bist du sicher, dass er nur das eine Mal zu dir nach Hause kam?«, fragte Bach. »Dass er nach der Vergewaltigung nicht noch mal da war? Vielleicht, als Nika allein zu Hause war?«
»Wenn ja, dann hat sie es mir nie erzählt.« Sie schüttelte den Kopf. »Und mir ist nie in den Sinn gekommen zu fragen.«
»Natürlich nicht«, sagte Bach. »So was fragt man ja auch nicht. Was ist heute passiert, das du mir nicht erzählst?«
»Inzwischen frage ich sie das«, sagte Anna mit einem flüchtigen Lächeln. »Aber die Sache war vor fast zwei Jahren. Als sie elf war und noch freiwillig von ihrem Tag erzählte.«
»Aber wenn David sie auf irgendeine Weise konfrontiert hat«, bemerkte Bach, »könnte es sein, dass Nika es dir nicht erzählen wollte. Und selbst wenn er sich ihr nicht mehr genähert hat, könnte sie ihn trotzdem als Gefahr oder Bedrohung wahrgenommen haben. Ich würde diese Theorie gerne überprüfen, indem ich ihn in deinen Träumen in den Vordergrund rücke, ihn als eine Art Blitzableiter benutze. Vielleicht bekommst du so eine Verbindung zu Nika, sozusagen von Albtraum zu Albtraum.«
»Fantastisch«, sagte Anna, obwohl es alles andere als das war. Trotzdem war sie offensichtlich bereit, ihre eigenen Ängste und ihr Unbehagen beiseitezuschieben, um ihrer Schwester zu helfen. »Versuchen wir es.« Sie hielt inne. »Es sei denn, du brauchst eine Pause …?«
»Was?«, fragte er. »Nein.« Er stand auf. »Gehen wir wieder ins Schlaflabor.«
»Bist du sicher?«, fragte sie. »Wie geht es deinem Rücken?«
»Meinem Rücken geht es bestens«, versicherte er ihr, obwohl er genau in diesem Moment ein Stechen spürte. Aber der Schmerz war belanglos.
»Warum machen wir es dann nicht gleich hier?« Anna zeigte auf das Sofa, wo Bach im Lauf der Jahre schon das eine oder andere Nickerchen gehalten hatte. »Ich würde mich, ehrlich gesagt, wohler fühlen, wenn nicht ein Haufen Leute zusieht. Wenn das in Ordnung ist.«
Er nickte. Ohne das Schlafmittel war auch keine medizinische Überwachung nötig. Was er tun würde, würde sich nicht allzu sehr von dem unterscheiden, wie er Anna dazu gebracht hatte, in
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