Mingus
ganzen Plunder nicht mehr. Wir können gemeinsam …«
Ich schaue über die Wiese und sehe Nin laufen, höre sie rufen. Den Hund sehe ich nicht im hohen Gras. Ich lache.
»Wir haben keinen Chopper für dich«, sage ich. »Aber wir sind bewaffnet. Wir haben diese Supra-Bombe bei uns. In dem Robohund. Du hältst dich besser fern von uns. Hau ab.«
»Weg? Ja wie denn?«, winselt er. Er will aufstehen, und ich gebe ihm einen guten Tritt in die Eier. Das wollte ich schon lange mal ausprobieren.
»Deinen Präsiquatsch da kannst du behalten«, sage ich. »Bringt nur Unglück das Zeug.«
AGLAIA
Als wir durch das Licht und den Schatten laufen, uns unter Zweigen ducken, Felsen ausweichen, er immer vor mir mit großen Sprüngen, ganz ohne Anstrengung und ohne die kleinste Erschöpfung zu zeigen, nach dem Kampf … als wir so zickzack zwischen den Stämmen laufen, denke ich, dass jetzt alles neu beginnt, dass alles sich verändert hat, dass ein goldenes Zeitalter vor uns liegt. Das Untier ist tot.
Ich sehe, wie sich die Muskeln an seinen Beinen spannen und die kurze nasse Mähne ihm am Nacken klebt. Auch zwischen uns wird alles neu. Er hat mich erlebt, schwach und hinfällig. Er hat mich gerettet. Er hat mich verteidigt. Er ist der Starke. Vielleicht hat er sich mir bis jetzt unterlegen gefühlt. Hat die Frau in mir zu aggressiv erlebt. Ich schüchtere viele Menschen ein. Jetzt ist alles anders. Er ist mein Herr. So kann er sich jetzt sehen. So soll er uns jetzt sehen. Ich bin bereit, ihm diesen Triumph zu lassen. Er wird mit mir zusammen regieren. Er wird mich …
Er hält an, und ich pralle gegen seinen Rücken, lachend, lege die Arme um ihn, bereit, ihn zu umarmen, ihm mein Gesicht hinzuhalten, aber er rührt sich nicht, bleibt so, wie erstarrt. Ich öffne die Augen, und über seiner Schulter sehe ich jemanden stehen, vor uns am sonnengesprenkelten Abhang. Ein Mädchen. Ein großer Hund. Unser Hund! Sie stehen da und sehen uns an, ohne sich zu rühren.
Auch Mingus rührt sich nicht, ich höre einen tiefen Atemzug. Er macht einen Satz nach vorne. Ich lasse ihn los, trete neben ihn. Eigentlich weiß ich sofort, wer das Mädchen ist. Sie ist also noch am Leben. Da steht sie und schaut Mingus an. Mich sieht sie gar nicht.
Sie kommt auf uns zu, ganz langsam, Schritt für Schritt, bis sie vor Mingus steht. Ich trete nicht zur Seite, sondern drücke mich an Mingus’ Schulter. Er bemerkt es nicht. Sie hebt die Arme und legt sie um ihn. Seine Arme hängen herunter, ganz reglos. Ich fühle, wie ihre Hand sich zwischen mich und ihn schiebt, als wäre ich nichts weiter als ein störender kleiner Ast, an dem er lehnt. Sie drückt sich an ihn, legt den Kopf an seine Brust. Da stehen sie, ohne ein Wort, ohne einen Laut, ohne eine Bewegung. Jetzt wird er sie küssen, denke ich, und ich, ich habe ihm das beigebracht, aber er küsst sie nicht. Er steht da mit hängendem Kopf, er seufzt ganz leise, und dann sehe ich Tränen, die über sein Gesicht laufen. Ja, Tränen, richtige Tränen. Ich kenne kein Tier, das weinen kann. Seine Schultern zucken. Ein seltsamer Ton kommt aus seiner Kehle, ein Heulen, ein Tierheulen. Er schluchzt. Es klingt grauenhaft.
Ich wende mich ab und laufe weiter, an ihnen vorbei, den Abhang hinauf, weg.
ALAN
Ratssitzung.
Der Tisch biegt sich unter all den Platten mit schön dekorierten Vorspeisen. Auch ich habe etwas gekocht, in der Küche, die heiß ist wie die Hölle, zusammen mit den halb ausgezogenen Frauen, die sich schon beim Zwiebelschneiden zuprosten. Alle sind in Feier- und Apfelschnapslaune. Frieder wird keine große Ansprache mehr halten können. Das ist gut so, seine Reden sind keineswegs so unterhaltsam wie die von Aglaia in ihren besten Tagen. Unsere Aglaia! Unsere Heldin, diese großartige Frau.
Erst mal werden wir hier weiter ohne sie auskommen müssen. Megacity wartet auf sie, lässt sie uns wissen und schickt eine Liste von allen Punkten auf ihrem Programm. Ich habe gar nicht mehr alle im Kopf. Die Truppen sind schon auf dem Rückflug, ob mit oder ohne die außer Funktion gesetzten Robos, weiß ich nicht. Sicher mit ihnen – man wird sie umrüsten, glaube ich. Die Aristokaste hält sich, was Aglaias Pläne betrifft, noch bedeckt, so lesen wir, und Neila, die Gayanerchefin, macht unserer Aglaia herbe Schwierigkeiten. Wahrscheinlich wird sie an der Regierung beteiligt werden müssen. Die will Aglaia baldmöglichst aufstellen. Eine gemischte Gruppe aus allen Schichten. Neila ist keine
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