Minus 0: Märchen-Thriller (German Edition)
„Bitte ruf Frau Kraskovna an und sage ihr, sie soll die Scheiße hier wegwischen. Sie kriegt auch das doppelte pro Stunde.“
Zack nickte und steckte seinen Revolver wieder in seinen Halfter.
Willi watschelte sechs Schritte bis vor Löckchen und klopfte dem panischen Knaben auf die Schulter. „Ab jetzt bist du einer von uns.“
2. Hart Aber Herzlos
1
Die Uhr schlug halb 12 und auch somit die fünfte Stunde in Frau Harts Grundschulunterricht. An einem sonnigen Tag wie diesem, durften die Kinder ihre Bänke und Stühle mit in die Sonne nehmen und im Freien ihre Aufgaben verrichten.
Frau Hart war eine 45 Jahre alte, beherzte Lehrerin. Ihre langen braunen Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten und an diesem Tag trug sie einen schwarzen Rock und eine weiße Bluse, verschmiert von den Fingermalfarben ihrer Schüler. Die Fingerflecken kamen natürlich nur aus zufälligen Gründen an ihren Rock und nicht weil die Viertklässler bereits dem Wahn der Pubertät verfallen waren. Vor ihrem Haus waren die Bänke der Schüler in einem Halbkreis aufgestellt, in dem die Schüler von links nach rechts nach Schulstufen geordnet saßen. Die Erstklässler links hatten die Aufgabe den Sonnenschein in einem Bild aus Fingermalfarben einzufangen. Die Kinder in der zweiten und dritten Schulstufe lösten Additions- und Subtraktionsaufgaben und durften sich sogar gegenseitig helfen. Die zwei einzigen Viertklässler, Kalle und Boris saßen rechts. Ihre Aufgabe war es, einen Aufsatz - eine DIN A4 Seite lang, zu verfassen, welche Pflanzen sie von ihrem Platz aus erspähen konnten und detailreich zu beschreiben. Und ganz rechts stand George Power , der verrückte Bildhauer Blutwäldchens, laut seinem Alter eigentlich erwachsen, dennoch gesellte er sich spontan zu den Kindern. Seine linke Hand wurde von einem Verband geziert, der völlig in Blut getränkt war. Da ihm der Dorfarzt, Doktor Kasper, verboten hatte die nächste Zeit einen richtigen Hammer in die Hand zu nehmen, durfte er einen Spielzeughammer der Erstklässler benutzen, um seine „Kunst“ anzufertigen. Mit dem Spielzeughammer ließ sich schlecht Sandstein bearbeiten, daher bekam er von Frau Hart einen Eimer Knetmasse spendiert. Es war ohnehin besser, den leicht verwirrten Künstler George Power nicht mit echten Werkzeugen spielen zu lassen.
Frau Harts Kontrollgang startete bei den Erstklässlern. Lächelnd schaute sie auf die bunten Bilder ihrer Schützlinge. Wenn ihr ein Bild besonders gut gefiel, streichelte sie dem Schüler ermunternd über den Rücken und hielt das Bild zur Demonstration ihren Schülern in die Luft. Bei den Zweit- und Drittklässlern kontrollierte sie die Rechenaufgaben. Schaffte ein Schüler ein Übungsblatt ohne einen einzigen Fehler zu rechnen, klopfte sie ihm mit den Worten „Gut gemacht!“ auf die Schulter und drückte auf das Blatt mit einem rosafarbenen Stempel ein Sternsymbol auf das Blatt. Nun näherte sie sich von hinten Kalles Aufsatz, schaute kurz drüber und befand ihn mit „sehr schöner Aufsatz, Spätzchen“ für gut.
Der junge Kalle fühlte sich geschmeichelt und der Umstand, dass er ihr blumiges Parfum aus nächster Nähe riechen konnte, bestärkte ihn nur mehr. Bestärken nicht im Sinne der Aufsatzübung, sondern bestärken im Zusammenhang mit seinen jungendlichen Fantasien.
Dann erreichte sie Boris, das Sorgenkind der Klasse. Der kleine blonde Knabe Boris führte seine in Tinte getauchte Feder konzentriert mit der linken Hand über das Blatt. Ab und zu erhaschte er einen Blick in seine Umgebung, um sich ein neues Objekt zum Beschreiben auszusuchen. Frau Hart ging leicht in die Hocke und sah ihrem Sorgenkind über die Schulter.
„Na mein lieber Boris, kommst du gut voran?“
„Oh Frau Hart, es macht mir richtig Spaß über die Pflanzen zu schreiben. Ich möchte später Biologe werden.“
Frau Hart berührte sanft Boris Hand, nahm ihm die Feder aus der Hand und legte sie den Tisch. Mit ruhiger Stimme sagte sie: „Das ist schön Boris. Ich bin sicher, dass du dein Ziel erreichen wirst.“
Der kleine Knirps lächelte, aufgrund dieser Motivation, die er bisher nie von Frau Hart erfahren durfte.
Plötzlich packte Frau Hart Boris linke Hand. „Warum hast du nur deinen schönen Aufsatz mit der linken Hand geschrieben?“
„Frau... Frau Hart, mit der rechten Hand kann ich aber nicht schreiben.“
„Aber Boris, wir schreiben hier nur mit rechts.“ Frau Harts Hand drückte die kleinen Finger an Boris Hand
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