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Mio, mein Mio

Mio, mein Mio

Titel: Mio, mein Mio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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Vater, dem König.

Im Rosengarten
    Eigentlich weiß ich aber nicht recht, was ich Benka schreiben soll. Das, was ich erlebt habe, gleicht in keiner Weise den Erlebnissen anderer Menschen. Und ich weiß nicht, wie ich es erzählen soll, damit Benka wirklich alles versteht. Ich habe nach Worten gesucht, die ich schreiben könnte, aber es gibt keine. Vielleicht könnte ich schreiben: Ich habe Unsagbares erlebt. Benka würde trotzdem nicht wissen, wie es hier im Land der Ferne ist. Und ich müßte ihm wenigstens ein Dutzend Flaschen schicken, wenn ich ihm alles von meinem Vater, dem König, erzählen wollte und von seinem Rosengarten und von Jum-Jum und meinem schönen weißen Miramis und dem grausamen Ritter Kato im Lande Außerhalb. Nein, ich könnte niemals alles erzählen, was ich erlebt habe.
    Schon am ersten Tag nahm mein Vater, der König, mich mit in seinen Rosengarten. Es war gegen Abend. Der Wind spielte in den Bäumen.
    Als wir auf den Rosengarten zugingen, hörte ich eine wundersame Musik, die tönte, als ob tausend Glocken aus Glas auf einmal erklängen. Es klang nicht laut, aber voll. Das Herz begann zu zittern, wenn man es hörte.
    »Hörst du meine Silberpappeln?« fragte mein Vater, der König. Er hielt mich an der Hand, während wir gingen. Tante Edla und Onkel Sixten hatten mich nie an der Hand gehalten. Niemand hatte mich jemals zuvor an der Hand gehalten. Und deshalb war es so wundervoll, hier zu gehen und meine Hand in der Hand meines Vaters, des Königs, zu spüren, obwohl ich ja eigentlich zu groß dafür war.
    Der Rosengarten war von einer hohen Mauer umgeben. Mein Vater, der König, öffnete eine kleine Pforte, und wir gingen hinein. Einmal vor langer Zeit durfte ich mit Benka zu ihrem Sommerhäuschen draußen auf Vaxholm fahren. Wir saßen auf einer Steinplatte am Wasser und angelten, gerade als die Sonne untergehen wollte. Der Himmel war rot und das Wasser still. Es war die Zeit, in der die Rosenbüsche blühen. Ganz dicht hinter der Steinplatte standen sehr, sehr viele. Und weit drüben auf der anderen Seite der Bucht rief laut ein Kuckuck. Damals dachte ich, das sei das Schönste, was es auf der Welt gäbe. Nicht der Kuckuck natürlich, den ich ja nicht sah; aber sein Ruf machte, daß alles andere noch schöner aussah, als es sonst ausgesehen hätte. Ich sagte nichts davon zu Benka, sondern dachte die ganze Zeit still für mich: Das hier ist sicher das Schönste, was es auf der Welt gibt.
    Aber damals hatte ich ja noch nicht meines Vaters, des Königs, Rosengarten gesehen. Ich hatte seine Rosen noch nicht gesehen, alle die schönen, schönen Rosen, die wie ein roter Wasserfall leuchteten, oder seine weißen Lilien, wenn sie sich im Winde wiegten. Ich hatte seine Pappeln noch nicht gesehen, die silberne Blätter hatten und die so hoch in den Himmel ragten, daß in ihren Spitzen, wenn der Abend kam, Sterne brannten. Ich hatte seine weißen Vögel noch nicht gesehen, die durch den Rosengarten flogen, und nie zuvor hatte ich etwas gehört, was ihrem Gesang glich oder der Musik aus den Blättern der Silberpappeln. Niemand kann je etwas so Schönes gehört oder gesehen haben wie das, was ich in meines Vaters, des Königs, Rosengarten hörte und sah. Ganz still stand ich und drückte die Hand meines Vaters, des Königs. Ich wollte fühlen, daß er da war. Alles war so schön, daß man einfach nicht ertragen konnte, es allein zu erleben. Und mein Vater, der König, streichelte meine Wange und sagte: »Mio, mein Mio, freust du dich über meinen Rosengarten?«
    Ich konnte nicht antworten. Ich hatte ein ganz eigenartiges Gefühl. Fast, als ob ich traurig sei. Dabei war ich doch gar nicht traurig – ganz im Gegenteil. Ich wollte meinem Vater, dem König, sagen, er müsse nicht glauben, ich sei traurig. Aber bevor ich noch sprechen konnte, sagte er:
    »Es ist gut, daß du glücklich bist. Bleib glücklich, Mio, mein Mio.«
    Dann ging er, um mit seinem Rosengärtner zu sprechen, der da stand und auf ihn wartete. Und ich lief allein umher und sah mich um. Ich war verwirrt von all dem Schönen und hatte ein Prickeln in mir, als wäre ich ganz mit Brauselimonade angefüllt. Meine Beine waren so froh und konnten nicht ruhig stehen, und meine Arme waren so stark geworden.
    Ich wünschte, Benka wäre da, damit ich mich mit ihm prügeln könnte nur zum Spaß natürlich. Ja, ich wünschte, Benka wäre da. Denn ich wollte jemand bei mir haben, der so alt war wie ich, mit dem ich all das teilen durfte. Aber

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