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Mio, mein Mio

Mio, mein Mio

Titel: Mio, mein Mio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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hören konnte, flüsterte ich Kalle Punt ins Ohr: »Du bist auf jeden Fall mein Pferd.« Und ich glaube, Kalle Punt verstand, was ich sagte, und war einverstanden damit.
    Benka hatte seinen Vater und seine Mutter und alles mögliche, da hatte er doch ein Pferd nicht halb so nötig wie einer, der einsam war. Ich denke also, es war nur gerecht, wenn Kalle Punt ein wenig mehr mein Pferd war als Benkas. Wenn ich die Wahrheit sagen soll – natürlich war Kalle Punt gar nicht unser Pferd, sondern gehörte der Brauerei. Wir taten ja auch nur so, als gehöre er uns. Aber ich für meinen Teil wünschte es so stark, daß ich es fast glaubte.
    Manchmal redete ich lange mit Kalle Punt und kam zu spät in die Schule. Wenn dann die Lehrerin fragte, warum ich zu spät käme, wußte ich nicht, was ich antworten sollte. Man konnte doch der Lehrerin nicht sagen, man habe auf der Straße gestanden und sich mit einem alten Brauereipferd unterhalten. Mitunter verspätete sich der Brauereiwagen, und ich mußte schnellstens zur Schule laufen, ohne Kalle Punt getroffen zu haben. Dann war ich wütend auf die Bummelei des Kutschers. Ich saß in der Schulbank und zerkrümelte die Zuckerstücke und die Brotrinden, die ich in der Hosentasche hatte, und sehnte mich nach Kalle Punt und dachte daran, daß es nun Tage dauern würde, bevor ich ihn wiedersehen konnte. Und dann sagte die Lehrerin: »Na, was sitzt denn der Bosse dort und seufzt? Wo hat er denn seine großen Schmerzen?« Ich antwortete nicht darauf. Was hätte ich auch antworten sollen? Die Lehrerin hätte doch niemals verstanden, wie sehr ich Kalle Punt liebte. Nun gehört er wohl Benka ganz allein, denke ich mir.
    Und das ist gut so. Es ist nur gut für Benka, daß er Kalle Punt hat – als Trost – jetzt, da ich weg bin. Ich habe ja meinen Miramis mit der Goldmähne. Und so habe ich ihn bekommen: Eines Abends, als wir Modellflugzeuge zusammensetzten und miteinander sprachen – wie es Benka und sein Vater immer tun –, erzählte ich meinem Vater, dem König, von Kalle Punt.
    »Mio, mein Mio«, sagte mein Vater, der König, »du magst also Pferde gern?« »Oh, ich mag sie schon«, sagte ich. Es hörte sich vielleicht nicht an, als ob ich Pferde ganz besonders liebte, aber das war Absicht, damit mein Vater, der König, nicht dachte, daß mir bei ihm irgend etwas fehle.
    Am nächsten Morgen, als ich hinunterkam in den Rosengarten, galoppierte mir ein weißes Pferd entgegen. Nie hatte ich jemals ein Pferd so galoppieren sehen. Die goldene Mähne flatterte, und die goldenen Hufe glänzten im Sonnenschein. Es kam in großen Sprüngen gerade auf mich zu, und es wieherte wilder, als ich je ein Pferd habe wiehern hören. Ich bekam beinah Angst und drückte mich an meinen Vater, den König. Er jedoch griff mit seiner starken Hand in die Goldmähne, und da stand das Pferd sofort still. Dann steckte es seine weiche Nase in meine Tasche, um zu fühlen, ob es dort etwas Zucker fände. Genau wie Kalle Punt es immer machte. Und ich hatte tatsächlich ein Stück Zucker. Nur aus alter Gewohnheit hatte ich es mir eingesteckt. Und das Pferd nahm den Zucker und fraß ihn. »Dieses Pferd heißt Miramis«, sagte mein Vater, der König, »und es ist dein Pferd, Mio, mein Mio.« O mein Miramis! Ich liebte ihn, als ich ihn nur sah. Es war sicher das schönste Pferd, das es auf der Welt gab, und gar nicht dem armen Kalle Punt ähnlich, der so alt und so müde war. Ich jedenfalls konnte keine Ähnlichkeit feststellen. Doch als Miramis den schönen Kopf hob und mich ansah, da blickte ich in die gleichen Augen, wie sie Kalle Punt hatte. So treue, treue Augen – wie Pferde sie haben.
    Ich war noch nie geritten. Aber jetzt hob mich mein Vater, der König, auf mein Pferd, auf Miramis.
    »Ich weiß nicht, ich getraue mich nicht«, sagte ich. »Mio, mein Mio«, sagte mein Vater, der König, »hast du denn keinen Mut?«
    Und da nahm ich Miramis’ Zügel und ritt durch den Rosengarten. Ich ritt unter den Silberpappeln entlang, und die silbernen Blätter fielen herunter auf mein Haar. Schneller ritt ich und schneller und schneller, und Miramis sprang über die höchsten Rosenhecken. Er sprang leicht und sicher – nur einmal streifte er die Hecke und riß einen Regen von Rosenblättern mit sich. Gerade kam Jum-Jum, und er konnte sehen, wie ich ritt. Er klatschte in die Hände und rief: »Mio reitet auf Miramis, Mio reitet auf Miramis!«
    Ich hielt Miramis an und fragte Jum-Jum, ob er auch reiten wolle. Das wollte er

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