Mira und das Buch der Drachen (German Edition)
Silbermännchen trat einen Schritt zurück. »So wie Cyril sich vor seinem Tod in ein Geistwesen verwandelt hat, so steht auch der schwarze Drache für jemanden, der bei der Beschwörung zu einem Geistwesen werden wird.«
»Du meinst, dieser jemand wird sich in den schwarzen Drachen verwandeln?«
Das Silbermännchen schluckte. »So ist es. Cyril hat genau an eine Person gedacht, als er den schwarzen Drachen gezeichnet hat.«
Mira blickte von der schwarzen Hexe auf den schwarzen Drachen im Buch. Ja, sie hatte sich vorhin nicht getäuscht.
»Und was wird mit ... dieser Person bei der Beschwörung geschehen?«, fragte die schwarze Hexe atemlos.
»Sie wird sterben.«
Es war gespenstisch still in der Kammer. Das Feuer hatte aufgehört zu knistern und die Winterwinde hielten ihren kalten Atem an.
Die schwarze Hexe betrachtete indessen das Silbermännchen, als sähe sie es zum allerersten Mal. »Das ist also das Geheimnis des schwarzen Drachen.«
Das Silbermännchen nickte.
»Dann verrate mir noch eine Sache!« Die Hexe musterte das Silbermännchen von Kopf bis Fuß. »Du hast das alles gewusst und du hast mir all diese Jahre nichts gesagt?«
»Nun«, antwortete das Silbermännchen und ließ die lange silberne Feder durch seine Hand gleiten, bevor es der schwarzen Hexe direkt in die Augen blickte. »Ihr habt mich ja auch nie gefragt!«
25. Kapitel
in dem Cyril auf einer Party landet
Im Festsaal herrschte unter den schwarzen Zauberern eine gewisse Unruhe, die auch dadurch nicht kleiner wurde, dass der Pianist aufgehört hatte zu spielen. Er saß ganz ruhig auf seinem Hocker, mit gesenktem Kopf, als schliefe er. Nur die rechte Hand verharrte reglos und unentschlossen in der Luft.
Inzwischen waren die Speisen kalt und die Gespräche über Belanglosigkeiten hatten sich erschöpft. Das Fest schien zu Ende zu sein, bevor es überhaupt angefangen hatte.
Alle warteten auf die Rede der schwarzen Hexe, die ihnen endlich den Grund ihres Erscheinens enthüllen sollte. Viele rätselten insgeheim, was wohl der Grund der Verzögerung sein mochte, und einige wenige Verwegene rissen ein paar harmlose Witze, über die jedoch niemand zu lachen wagte.
Nach einer Weile ging plötzlich ein Ruck durch den Pianisten und er begann wieder zu spielen.
Die, die am Eingang standen, sahen es als Erste. »Sie kommt!«, flüsterten sie, und diese Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Saal. »Sie kommt!«
Und wirklich öffnete sich die große Flügeltür am Ende des Saals und kurz darauf bahnte sich Arachonda ihren Weg durch die Menge.
Ihre offenen schwarzen Haare umrahmten ein bleiches Gesicht, das anders aussah als sonst. Die Hexe trug ein enges schwarzes Kleid, das über und über mit Pailletten bestickt war, die im Licht der vielen Kerzen funkelten.
Die Menge hielt den Atem an, denn in ihren Händen hatte die schwarze Hexe ein Buch mit einem grünen Samtumschlag. Es war genau in der Mitte aufgeschlagen und etwas lag auf den Seiten. Dieses Etwas war weiß und nicht besonders groß, und nur die, an denen die schwarze Hexe direkt vorbeiging, erkannten, dass es sich um einen zusammengerollten weißen Drachen handelte.
Hinter der Hexe lief ein Mädchen. Sie war mindestens einen Kopf kleiner als Arachonda, sah ebenfalls bleich und ein wenig erschrocken aus und hielt in der Hand eine schmale graue Karte, auf der sich ein leuchtend blaues Geistwesen befand. Das Wesen trug ein Wams, das in der Mitte mit einer breiten silbernen Kordel gegürtet war. Mit seinen Händen knetete es unaufhörlich einen langen spitzen Hut, in dem eine durchscheinende Feder steckte. Im Übrigen würdigte es die Zauberer keines Blickes und starrte nur besorgt auf den schmalen Rücken der schwarzen Hexe, die nun neben dem Pianisten zum Stehen kam.
»Das Silbermännchen ist wieder da«, raunte einer aus der Menge.
»Das Silbermännchen von den Visitenkarten?«, fragte ein anderer.
Die Unruhe vergrößerte sich. Hatte die schwarze Hexe das Silbermännchen nicht gefeuert?
Arachonda tippte dem Klavierspieler auf den Kopf. Der beendete sein Spiel mit einem dramatischen Dreiklang, ließ die Hände in den Schoß sinken und starrte mit weit geöffneten Augen vor sich hin.
Es war so still im Saal, dass man sogar das Klirren einer Stecknadel auf dem Boden gehört hätte.
Mira stand neben Arachonda und sah sich um. Ein paar der schwarzen Zauberer erkannte sie wieder. Der hagere Ambrosius stand neben der dicken Hexe, mit der er gekommen war. Xenia lehnte gegen
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