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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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schlafenden B u rschen angezogen. Immer mehr schwebten heran und je dichter sie dem warmen Körper kamen, desto schneller flogen sie. Bis sie an ihm kleben blieben.
    Kleben? Das Wort setzte sich wie eine Klette im Bewusstsein des Prinzen fest. Warum fielen die Samenbälle n i cht herab? Er entsann sich einiger Beobachtungen im Großen Alten. Eine ganze Reihe von Pflanzen benetzten ihre Saat mit einer harzigen Flüssigkeit. Also, eigentlich kein Grund zu Beunruhigung…
    Wenn es nicht so viele Flocken wären. Und nicht immer neue daz u kämen.
    Und sie ihn, den einzig Wachenden, nicht verschmähten: Kein einziges Flöckchen war bisher an ihm haften geblieben.
    Die leuchtende Schicht, die Jonnins Körper umgab, war inzwischen etwa drei Finger breit, als Twikus endlich aus seinem gebannten Stau n en erwachte. Er musste den Burschen schnellstens wecken, bevor ihm diese klebrigen Flocken womöglich Mund und Nase verstopften.
    Während er noch schwankend auf den Seemann zulief, erwachte dieser plötzlich und geriet augenblicklich in Panik. Offensichtlich war genau das geschehen, was Twikus befürchtet hatte. Die Samen hatten Jonnin das Gesicht verkleistert. Jetzt rang er verzweifelt nach Luft. Er versuchte sich aufzurichten, aber die klebrige Hülle, in der er steckte, verfestigte sich bereits. Als er den Oberkörper reckte, zogen sich lange Fäden von den Unterarmen bis zu den Knien, und von den Schultern abwärts löste sich ein Teil der Hülle von Brust und Bauch, ohne den Mann gänzlich freizugeben. Er sah aus wie ein zappelndes Neugeborenes in der Fruchtblase seiner Mutter. Twikus begann zu ahnen, dass dieser Vorfall mehr als ein Missgeschick war. Er gehörte zu den von Permund gefürchteten Schrecken der Namenlosen Sümpfe.
    Endlich war der Prinz bei Jonnin angelangt und rief: »Mach den Mund auf! Ich verschaff dir Luft.« Der Seemann reagierte nicht. Twikus packte ihn am Ellenbogen und brüllte: »Mund auf!« Als er den Arm wieder loslassen wollte, zogen sich die Fäden auch von seinen Händen zum Körper des Gefesselten. Erschrocken taumelte Twikus zurück, zupfte und zerrte hektisch an der klebrigen Masse, bis er endlich wieder frei war. Jonnin sank auf die Knie. Sein Oberkörper bewegte sich krampfhaft vor und zurück, als versuche er Luft in seine Lungen zu pumpen, aber es gelang ihm nicht. Ein grauenvolles  Röcheln drang durch die klebrige Hülle aus dem weit aufgerissenen Mund.
    Twikus fasste sich ein Herz, riss seinen Dolch aus der Scheide und stach mit Zeig e - und Mittelfinger der linken Hand zwischen die Zähne des Erstickenden. Die Masse drang mit in den Mund ein, ohne sich durchbohren zu lassen. Mit einem Ruck zog Twikus die Hand wieder zurück. Wie erwartet folgte ihm ein langer Kleisterfaden. Der Prinz ließ das Messer dicht vor Jonnins Lippen niederfahren und schnitt die geschmeidige Hülle durch.
    Gierig sog der Seemann d ie Luft ein.
    »Halt still!«, befahl Twikus und machte sich daran, die Arme des Gefährten von ihren Fesseln zu befreien. Die Gefahr war noch nicht vorüber, denn nun, nachdem die klebrige Masse auch am Retter haftete, stürzten die Flocken sich ebenso auf ihn. Zu allem Übel wurde der Dolch mit jedem Schnitt dicker und seine Klinge war bald nicht mehr zu gebrauchen, weil das harzige Zeug ihn regelrecht eingewickelt hatte. Twikus schlug wie wild nach den Samenbällen, fing sich dadurch aber nur immer weitere ein. Jeder Treffer ließ die Hülle wachsen, die auch ihn über kurz oder lang luftdicht umschließen würde. Verzweifelt rief er um Hilfe…
    Aber niemand antwortete.
    Jäh wurde ihm bewusst, dass die Schlafenden von dem Lärm, den er verursacht hatte, längst hätten geweckt worden sein müssen. Er vernahm einen gurgelnden Laut aus Richtung des Lagers.
    »Beim Allmächtigen! Sie werden alle ersticken.«
    Mit zähen Bewegungen taumelte er auf die Gefährten zu. Die tief hängenden Äste der Bäume hielten das Mondlicht weitgehend von den sich windenden Schemen fern. Twikus konnte kaum etwas erkennen. Wie sollte er ihnen helfen?   
    Warum hatten die Flocken nicht auch ihn auf dem Lager überfallen?
    Ergil, bist du wach?, rief er in diesem Moment höchster  Verzweiflung.
    Überflüssige Frage, ka m ohne Umschweife die Antwort. Du musst mir helfen!
    Bin schon dabei. Lass mich noch einen Moment nachdenken. Ich komm gleich drauf…
    Dazu fehlt uns die Zeit! Wenn ich wenigstens Himmelsfeuer  mitgenommen…
    Was sagst du?
    Es liegt unter meiner Decke.
    Das ist es! Zijjajim muss

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