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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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nicht allein an ihm, fürchte ich.«
    Bombo kratzte sich an der dicht behaarten Wange. »Mir will einfach nicht in den Kopf, wie der Großkönig das anstellt. Er ist doch nur ein Mensch.«
    »Vielleicht empfängt er seine Kraft von dem dunklen Geschöpf, das unter seiner Burg wohnt. Ich hoffe, Olam kann uns mehr darüber erzählen.«
    »Vorausgesetzt, wir finden ihn«, sagte Ergil.
    Das Rudern gegen die Strömung war nicht nur eine elende Plackerei, es war auch ein Rennen g e gen die Zeit. Bei ihrem Aufbruch von der Seskwin hatte niemand diesem Gesichtspunkt besonderes Gewicht zugemessen. Permunds Äußerungen über die Wegstrecke zum Sternenspiegel waren  zwar vage gewesen, klangen aber nach einer eher kurzen Reise. Jetzt kämpfte die Meerschaumprinzessin schon den fünften Tag gegen die Strömung an.
    »Neumond ist erst in vier Tagen«, beruhigte Múria ihre Begleiter, als sie am Abend ihren Lagerplatz am Ufer ansteuerten. Bombo hatte sich zuvor sehr nachdenklich über den bisherigen Verlauf der Reise geäußert.
    »Da habt Ihr wohl Recht, Herrin, aber Permund, dieser alte Hund, hätte sich trotzdem genauer ausdrücken können. Allmählich beschleicht mich der Verdacht, er könnte diesen letzten Abschnitt der Fahrt absichtlich so… missverständlich beschrieben haben.«
    »Warum sollte er das tun? « , brummt e Falgon.
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht, um uns spüren zu lassen, dass seine Unkerei nicht aus der Luft gegriffen ist. Wenn wir ausgelaugt und halb verhungert zu ihm und der Meerschaumkönigin zurückkehren, kann er schadenfroh in die Hände klatschen und frohlocken: ›Seht ihr, hab ich’s euch nicht gleich gesagt.‹«
    »Das sähe ihm ähnlich.«
    Jonnin schlug eine Mücke auf seiner Wange platt. »Es sieht alles so gleich aus hier. Was ist, wenn wir noch eine ganze Woche durch die Sümpfe pullen müssen?«
    Múrias strenger Blick verriet, wie wenig ihr diese Aussicht gefiel. »Dann müssten wir bis zum nächsten Neumond am Sternenspiegel warten.«
    »Das hieße, Wikander einen ganzen Monat schenken«, fügte  Falgon unwillig hinzu.   
    Auch am siebten Tag gaben die Namenlosen Sümpfe das Boot und seine Besatzung nicht frei. Die Sorgen unter den Gefährten nahmen zu und ihre Kräfte ab. Obwohl der Proviant aus  Trockenfisch und - obst, Schiffszwieback und hartem Ziegenkäse noch nicht knapp wurde, zehrte doch das unablässige Rudern an der Substanz der Männer. In dieser Nacht kamen dann auch noch die Schlingwurzeln.
    Dick wie Schiffstaue und sich windend wie Schlangen, schlichen die Fangarme der Pflanzen heran. Sie krochen unter die Schlafdeck e n, wickelten sich gerade um Fußgelenke oder Arme, als Twikus das fast unhörbare Rascheln im Laub bemerkte. Sofort schlug er Alarm.
    Da seit dem Mondtau - Überfall ohnehin niemand mehr ruhig schlafen konnte, waren sofort alle hellwach. Ein erbitterter Kampf tobte am Flussufer. Mit Schwertern, Säbeln, Messern und sogar mit einem Hammer wehrten sich die Verteidiger. Wenig später herrschte wieder Stille. Über den Platz verstreut lagen abgehackte Wurzeln. So begann der achte Tag seit Verlassen der Seskwi n vor dem Morgengrauen. Man kam überein, den Rest der Reise im Schiff zu schlafen, in Kauf nehmend, dass auch im Fluss unbekannte Gefahren lauern mochten.
    Im Laufe des Vormittags entspannte sich die Lage. Der Groterspund wurde wieder breiter. Die Baumwipfel rückten a useinander. Ein schwüler, aber stetiger Nordwind strich durch die Flussschneise. Bombo steuerte die Meerschaumprinzessin in eine ruhigere Strömung und warf den Draggen aus, damit der Mast aufgerichtet und das Segel gesetzt werden konnten. Nachdem der vier a rmige kleine Anker wieder eingeholt worden war, nahm die Schaluppe zum ersten Mal seit viereinhalb Tagen wieder ohne Menschenkraft Fahrt auf.
    Mit Rückenwind flog die Meerschaumprinzessin jetzt geradezu über das Wasser. Der Fluss wurde immer breiter. Nachmittags prasselten wie gewohnt Schauer auf sie nieder, jetzt jedoch ungehindert von irgendwelchem Blätterwerk. Mit ihnen kamen heftige Böen, die nicht nur die Persenning  lautstark knattern ließen, sondern auch den Regen in jede Ritze des Zeltes schaufelten – eine Stunde lang schöpften Ergil und Múria Wasser aus dem Boot, bis endlich die Wolken aufrissen und ein tiefblauer Himmel zum Vorschein kam. Als die warmen Farben des Abends dunkler wurden, eröffnete sich den durchfeuchteten Gefährten eine Aussicht, die bis dahin nur wenige verwegene Abenteurer gesehen

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