Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
uns im Schlaf beschützt haben. Schnell, zu unserer Decke! Entfache das Feuer des gläsernen Schwertes, ehe es zu spät ist.
Keuchend kämpfte sich Twikus weiter voran. Er fühlte sich wie in eine nasse Tierhaut eingenäht, die schnell trocknete und sich dabei immer fester zusammenzog. Zudem wurde der Schwindel wieder stärker. Diese Benommenheit konnte kein Zufall sein. Sie hatte bestimmt mit dem schweren Aroma zu tun, das in der Luft hing. Womöglich ging hier irgendeine raffinierte Pflanze auf die Jagd. Erst betäubte sie ihre Beute mit dem süßen Duft und dann legte sie darauf ihre Samenflocken ab, um ihr Opfer zu ersticken und womöglich zu vertilgen.
Undeutlich bemerkte Twikus einen Schemen am Boden. Ja nicht berühren!, beschwor er sich und taumelte drum herum. Wenn er irgendwo kleben blieb, dann wären alle verloren.
Als ahnten die flauschigen Samen, was er gegen sie im Schilde führte, stürzten sie jetzt in Scharen auf ihn herab. Die zähe Hülle war schon fast geschlossen. Jede Bewegung wurde für ihn zur Qual. Sein Mund stand noch offen, sog lechzend die Luft in die Lungen, aber auch diese letzte Öffnung begann sich schon zu schließen.
Abermals musste er eines der zappelnden Pakete umrunden. Er hatte den Überblick verloren. War es Falgon? Oder
Múria? Twikus wusste es nicht. Seine Augen schlossen sich. Warum schwirrte Kira nicht herbei? Hatte das betäubende Gift sogar die Elvin überwältigt? Ein furchtbarer Gedanke, der ihn fast übermannte.
Halt durch!, rief Ergil. Er spürte ganz genau, wie es um seinen B ruder bestellt war.
Verzweifelt rang Twikus nach Luft. Vergeblich. Er fühlte, wie sich ihm eine Blase in den Mund schob, die gallebitter war. Seine Zungenspitze zuckte zurück. Er presste die Lippen zusammen. Aber das nützte ihm wenig, denn auch seine Nase war längst verstopft.
Denke daran, wie wir die Ischschsch besiegt haben!, beschwor ihn Ergil. Du musst nur das Schwert berühren. Benutze die Gabe, um es zu finden.
In Twikus’ Ohren brauste das Blut. Sein Kopf drohte zu platzen. Ihm war so schwindelig, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Seine Gedanken schrien: Aber du hast die Meerschaumkönigin gerettet, nicht ich.
Nein, das waren wir gemeinsam. Reiß dich zusammen!
Übernimm du unseren Körper.
In der Versenkung ist mein Verstand weniger verletzlich. Tu einfach, was ich dir sage. Geh und finde das Schwert!
Wohin?, fragte sich Twikus. Er konnte weder etwas sehen noch hören. Die Gabe benutzen? Sein Bruder hatte leicht reden. Ein unbändiger Zorn stieg in ihm auf. Warum hatte er nur das Schwert liegen lassen? Wegen eines Schwindelgefühls? Und wenn er wie ein Hund auf allen vieren gekrochen wäre, hätte er sich jetzt nicht der Machtlosigkeit ergeben müssen. Ein Schwarz, das dunkler war als die Nacht, sickerte in seinen Geist – die Ohnmacht kündigte sich an. Seine Beine wurden weich…
Denk an Múria! Ergils Gedankenstimme riss ihn noch einmal ins Leben zurück. Sie sagte, immer wenn unsere Kraft mit der Macht einer Sturmflut aus uns hervorgebrochen ist, hatten wir uns zuvor gegen die Wehrlosigkeit gesträubt. Willst du jetzt dein Schicksal von einer garstigen Pflanze bestimmen lassen? Du hast einen freien Willen, Bruder. Benutze ihn!
Twikus drehte schwerfällig den Oberkörper nach links, dann nach rechts. Wo ist das gläserne Schwert? Aus der schwärzesten Schwärze, die er je gesehen hatte, tauchte unversehens ein grünes Schimmern auf. Zijjajim! Es war rechts von ihm. Ganz nah!
Die Beine des Prinzen gaben nach. Im Strudel der Ohnmacht konnte er nichts weiter tun, als sein Gewicht nach rechts zu werfen. Er fiel weicher als befürchtet, auf seine eigenen Decken. Nur der Kopf bekam einen harten Schlag, weil er genau auf den Blütengriff fiel.
Der Schmerz entfachte in seinem umnebelten Geist jäh ein Funken sprühendes Feuerwerk. Sogleich spürte Twikus Himmelsfeuers Wärme durch sich hindurchbranden. Er vernahm ein helles Singen – Zijjajims Stimme war zurückgekehrt! Durch seine verklebten Augen strahlte ein helles Licht. Er presste seine Wange an das Schwert, obwohl die Stelle von dem Sturz wie Feuer brannte. Aber was war der Schmerz gegen das Gefühl des wiedererwachenden Lebens!
Die enge Hülle, in der er eben wie fest eingenäht gesteckt hatte, wurde unvermittelt schlaff. Twikus spannte die Muskeln und stemmte sich gegen die Umklammerung an. Seine Finger suchten und fanden den Schwertgriff. Mit Himmelsfeuer i n der Hand richtete er sich
Weitere Kostenlose Bücher