Mirad 01 - Das gespiegelte Herz
auf. Die klebrige Umhüllung war mit einem Schlag vertrocknet und fiel wie Spinnweben von ihm ab.
Das hast du gut gemacht!, applaudierte Ergil aus dem Hintergrund. Jetzt schnell zu den Gefährten. Berühre sie mit dem leuchtenden Schwert.
Twikus ließ sich das nicht zweimal sagen. Zijjajims grünes Strahlen machte es ihm leicht, seine Freunde in der Finsternis zu finden. Rasch eilte er von einem zum anderen, tippte leicht mit der Klinge an Füße oder Schultern und eilte, während das verfilzte grauweiße Gespinst hier noch vertrocknete, schon wieder dorthin. Mit einer Mischung aus Sorge und Erleichterung fand er neben Múrias Kopf die Elvenprinzessin. Hatte der betäubende Duft sie, die so viel kleiner a l s die Menschen war, womöglich getötet? Schnell berührte er sie mit dem Schwert, doch dann musste er sich zuerst um die anderen, nach Atem ringenden Gefährten kümmern und stolperte weiter. Zum Schluss befreite er Jonnin, der auf halbem Weg vom Flus s zu m L a ger gefallen und liegen geblieben war.
Alle lebten. Auch Schekira. Die Samenhüllen hatten sich unter Zijjajims Feuer zu grauem Staub verwandelt. Manch einer wünschte sich, man könnte die Schlacke des Schreckens ebenso leicht aus dem Gedächtnis wie aus den Kleidern klopfen.
Mit dem ersten Licht des Tages verließen die Gefährten den unwirtlichen Uferplatz. Die Männer mussten sich wieder in die Riemen legen. Niemand mochte an die kommende Nacht denken. Daher sprach man umso ausführlicher über die vergangene.
Twikus war wieder einmal abgetaucht, weil er die Dankesbekundungen seiner Freunde nicht ertragen konnte. Er kam sich wie ein Versager vor, weil er den Überfall der Samenflocken zu spät als tödliche Gefahr erkannt hatte. Für ihn musste jetzt Ergil an der S eite von Jonnin pullen. Ihn bewegte vor allem die Frage, warum der schwere Duft, der letzte Nacht in der Luft hing, alle außer seinen Bruder betäubt hatte. Twikus war nur ein bisschen schwindelig geworden.
»Ich schätze, weil ihr zur Hälfte Sirilim seid«, s agte Múria. Sie saß hinter dem Prinzen und vor dem steuernden Kapitän.
»Aber sie sind doch genauso sterblich wie Menschen. Das hast du im Seeigelhaus selbst erzählt.«
»Sterblich ja, aber nicht genauso. Ihre Lebenskraft ist weit stärker, weshalb sie auch g e gen Krankheiten so gut wie gefeit sind. Was glaubst du, warum das Gift, das dein Oheim dir und Twikus vor langer Zeit verabreicht hat, nicht euren Verstand auslöschen konnte? Mein Gegenmittel allein hätte euch nicht gerettet.«
Ergil schürzte versonnen die Lippen. Wenn die Nachwirkungen des heimtückischen Anschlags nur endlich überwunden wären! Würde er sich je wieder klar an die Ereignisse von damals erinnern können?
Múria reckte den Hals und blickte zu den Ruderern nach vorn. »Hat irgendeiner von euch je e twas über solche Pflanzen gehört?«
Die Männer schüttelten die Köpfe oder murmelten ein Nein.
»Mondtau«, antwortete Schekira. Sie saß auf Ergils Schulter.
»So nennen wir Waldelven diese Samen, ebenso wie die
Bäume, von denen der Wind sie abzupft.«
»Ei n vie l zu schöner Name für ein so grausames Gewächs«, bemerkte Dormund.
»Aber trotzdem irgendwie passend«, murmelte Ergil. Er versuchte, den Kiefer nur so viel wie gerade nötig zu bewegen, weil die Prellung an seinem rechten Wangenknochen, die er sich beim Sturz auf den Schwertknauf zugezogen hatte, dadurch nur umso mehr schmerzte. Sie sei der Preis für ihrer aller Leben, hatte Múria gesagt, als sie ihn verarztete.
»Was kannst du uns noch über den Mondtau erzählen, kleine Schwester?«, erkundigte sich Múria.
Di e P rinzessin erklärte, sie habe nie zuvor von Samen gehört, die Menschen, Elven oder Sirilim gleichermaßen befielen. Normalerweise legten sich die Flocken auf Aas, eher selten erstickten sie Waldtiere. Die Kadaver dienten den Keimlingen als Nährboden.
»So wie bei dem Humus, den die Waldbolde zur Aufzucht ihrer Pilze verwenden?«, fragte Ergil voller Unbehagen.
Sie nickte.
»Das gefällt mir nicht«, brummte Falgon.
»Abgesehen davon, mein Lieber«, sagte Múria, »sollten uns all diese Veränderungen in der Natur zu de nke n geben.«
»Genau das meine ich, Inimai. Wikander spielt mit der Schöpfung. Er beutet sie aus und macht sie sich zum Sklaven, damit sie seine Feinde bekämpft.«
Sie nickte. »Das kann auf die Dauer nicht gut gehen. Wenn wir ihm nicht bald Einhalt gebieten, dann wird sich die Natur am Ende rächen – jedoch
Weitere Kostenlose Bücher