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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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fixierte die Gestalten des Wächters mit seinen Augen, während er und seine zwei unsichtbaren Helfer den Fels nun in der vierten Dimension durchdrangen: Rasch wanderten sie in der Zeit zurück bis zu jenem Tag, als die Insel Soodland durch eine gewaltige Katastrophe aus dem Meer aufgestiegen war – und noch eine Stunde darüber hinaus…
    Plötzlich schoss ein Sonnenstrahl wie ein gleißender Riesenspeer durch die Tropfsteinhöhle und traf genau die drei Verkörperungen des Wächters.
    Ein markerschütternder Schrei ließ das Gewölbe erbeben. Er war so schrill, dass Twikus sich die Hände auf die Ohren presste. Das Mädchen, der Mann und die Greisin rührten sich nicht vom Fleck, obwohl sie das helle Strahlen augenscheinlich nicht ertragen konnten. Nur ihre Münder waren weit a u fgerissen, der Sonne entgegen, während sie in unsäglichen Qualen schrien. Vielleicht lähmte sie das warme Licht genau so, wie zuvor die dunkle Eiseskälte der Angst ihre Gefangenen betäubt hatte.
    Twikus erwartete, dass die Gestalten jeden Moment in Flammen aufgingen, aber ihr Fortgang vollzog sich wesentlich unspektakulärer. Sie verblassten einfach. Und in dem Maße,  wie die Durchsichtigkeit ihrer Körper zunahm, wurden ihre Stimmen leiser. Als würden sie in einen tiefen Abgrund stürzen, entfernte sich der Klagelaut immer mehr. Bis er ganz verhallt war.
    Bevor die Sonne an dem kreisrunden Felskanal vorbeigewandert war, hatte ihr Licht die Herrin der Seeigelwarte aufgeweckt. Es war nur ein unbestimmtes Gefühl gewesen, das Twikus dazu veranlasst hatte, Múria in das helle Oval am Boden zu ziehen. Jetzt lag ihr Kopf auf seinen Oberschenkeln und er verfolgte mit Erleichterung, wie das Grau ihrer Haut allmählich verblasste. Zärtlich strich er ihr über das blonde Haar.
    »Wie geht es dir, Inimai?«
    » W - wo … w o bi n ich?«
    »I n der Halle des schlafenden Glanzes. Wir haben ihn aufgeweckt.«
    »Gandarin - helel ? – W - was… ist mit den Wächtern?«
    Twikus hatte schon befürchtet, Múrias Gedächtnis könnte ernsthaft gelitten haben. Jetzt atmete er erleichtert auf. »Sie sind weg. Der Weg in d e n Palas t is t frei.«
    »Warum war es eben so hell?«
    »Wir haben den Raum, den die Klippe eingenommen hat, um einige tausend Jahre in die Vergangenheit versetzt, in die Zeit, als es noch keine Insel Soodland gab, weil Magon das Angesicht unserer Welt noch nicht verändert hatte. Naja, nicht der ganze Festungsberg ist verschwunden, sondern nur der Teil, durch den jetzt das Tageslicht eindringt. Den drei Wächtergestalten hat’s nicht besonders gefallen.«
    »Und … Falgon?«
    Twikus blickte zu den Käfigen nach oben. Dormunds kahl geschorener Kopf hatte sich seit der Vertreibung des Wächters  nicht bewegt. Der Prinz biss sich auf die Unterlippe, um die aufkommenden Tränen zu bekämpfen. Falgons Hand hing noch so leblos wie zuvor aus dem Schalengitter heraus. Twikus schüttelte den Kopf und suchte gerade nach den richtigen Worten, um seinen schlimmsten Befürchtungen Ausdruck zu verleihen, als er ein Zucken der kräftigen Finger bemerkte. Múria fühlte sofort, wie sich sein Körper versteifte.
    »Was ist?«, fragte sie und hob den Kopf, um selbst zur Decke zu blicken.
    »Der Oheim bewegt sich!«, wisperte Twikus so leise, als könnte ein zu starkes Heben der Stimme die Wiederherstellung seines Ziehvaters ernstlich gefährden.
    Múrias Kopf sank kraftlos auf die Beine des Prinzen zurück.
    »Dem H e rrn der himmlischen Lichter sei Dank! Du musst jetzt weiter , Ergil.«
    »Ic h bi n Twikus.«
    »Jetzt keine Spielchen, mein Lieber!« Múrias Stimme klang fast schon wieder so energisch wie ehedem. »Wir müssen davon ausgehen, dass Wikander das Verschwinden seiner W ä chter bemerkt hat. Vermutlich wird es hier bald von Bewaffneten nur so wimmeln. Geht nach oben und verlangt von eurem Oheim zurück, was er euch gestohlen hat.«
    »Aber ich kann euch doch nicht hier allein…«
    »Wir kommen schon klar, mein Lieber«, unterbrach M ú ria ihren Schüler. »So schwach, wie wir sind, können wir dir ohnehin nichts nützen. Lass dich von uns nicht aufhalten. Ich werde Falgon und Dormund befreien. Notfalls verstecken wir uns in diesem Irrgarten. Ich kenne mich hier vielleicht besser aus als jed e r andere.«
    Um ihren Worten Nachdruck zu verleihen, richtete sich Múria zum Sitzen auf. »Geh jetzt, Twikus! Bevor es zu spät ist.« Sie deutete in die Richtung, wo vormals die Verkörperungen des Wächters gestanden hatten. »Lauf

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