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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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schlich er sich zu dem Seitengang und lugte um die Ecke. Nur wenige Schritte entfernt war eine Treppe. Daneben hing in einem eisernen Ring eine Fackel. Auf Zehenspitzen schlich er die Stufen hinauf bis zu einer eisenbeschlagenen Luke.
    Er drückte das Ohr ans Holz und lauschte. Nichts. Schon bei der Planung des Unternehmens hatte ihm Múria erzählt, dass der Geheimgang im Knochenturm endete. Die Stille war also nicht verwunderlich. Twikus atmete tief durch und drückte die Luke vorsichtig nach oben. Sie war unverschlossen. Vermutlich, weil die Palastwache sich überstürzt ins Verlies begeben hatte.   
    Zunächst öffnete er den Deckel nur eine Handbreit. Durch den Spalt sah er einen grob geglätteten Felsboden. In der Nähe des Auslasses standen Lanzen in einem Holzgerüst. Der größte Teil des Raumes war jedoch mit Fässern zugestellt, was den Blick für Twikus ziemlich einschränkte. Weil von weiteren Wachen weder etwas zu sehen noch zu hören war, öffnete er die Luke nun ganz.
    Das leise Quietschen kam ihm vor wie ein Alarmsignal. Er lauschte. Im Turm blieb es still. Niemand schien ihn gehört zu haben. Schnell kletterte er durch das viereckige Loch und schloss die Falltür wieder so leise wie möglich.
    Sein Blick schweifte durch den annähernd runden Raum. Die glatten Mauern besaßen die Farbe von Elfenbein – der Legende nach war der Turm ja aus den feuerfesten Knochen eines Drachen erbaut worden. An der Wand hinter der Luke befand sich eine Wendeltreppe. Ein Ausgang fehlte. Múria hatte erklärt, man müsse den Turm über eines der oberen Stockwerke verlassen. Das untere Stück der Außentreppe bestehe aus Holz, sei im Falle einer Belagerung also schnell zu entfernen. All das waren Sicherheitsmaßnahmen, um einem Feind die Erstürmung dieses letzten Fluchtortes der Burg zu erschweren.
    Twikus machte sich an die Erstei g ung der Wendeltreppe. Die Stufen ächzten, als litten sie furchtbare Schmerzen. Ihm standen sämtliche Haare zu Berge. In ständiger Angst vor Entdeckung überwand er so eine Höhe von ungefähr fünfzehn Fuß. Dann erreichte er das nächste Stockwerk.
    Auch dieses war verlassen, aber mit allerlei Ausrüstung angefüllt. Außerdem hingen über dem Geländer der weiter nach oben führenden Treppe einige Umhänge – vermutlich hatten die jetzt durch die Höhlen streifenden Soldaten sie hier zurückgelassen. Twikus’ Blick wanderte über Taue, Lampen, Schwerter, Streitäxte, Morgensterne, Helme, Brustpanzer und  vieles andere mehr, bis er schließlich an der Tür verharrte. Der Ausgang. Daneben befand sich eine Fensternische, die innen so groß war, dass ein Mann darin stehen konnte, ab e r sich zur Turmaußenseite auf ein kleines Quadrat verjüngte, dessen Seitenlänge etwa anderthalb Handspannen maß.
    Der Prinz lugte durch das Fenster in den Hof des inneren Mauerrings. Er konnte den Palast sehen, einen in seiner Größe beeindruckenden Bau, dessen strenge Quaderform sich allerdings eher an praktischen Gesichtspunkten orientierte. Wie Twikus wusste, stand der Turm an der östlichen Außenmauer, demnach musste er im Moment nach Westen blicken. Der schmale Bereich, den er überschauen konnte, war gep f lastert, ein Hinweis auf den Reichtum der Könige von Soodland.
    Ab und zu liefen Wachen durch sein Gesichtsfeld, meistens zu zweit oder als Vierergruppe. Es war ganz und gar unmöglich, ihr Hin und Her vorauszusehen. Was sollte er tun? Vermutlich würde man ihn im selben Moment entdecken, wenn er durch die Tür ins Freie trat. Es sei denn…
    Sein Kopf zog sich aus der Nische zurück und er wandte sich wieder dem Turmzimmer zu. Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Ja«, flüsterte er.

    Nie zuvor in seinem Leben hatte Twikus einen Harnisch getragen. Dementsprechend ungeschickt stellte er sich beim Anlegen der Rüstung an. Dann gab er aber doch eine ganz passable Palastwache ab. Nisrah verbarg sich an der Unterseite des Umhanges, den sich sein Gespinstling über die Schultern geworfen hatte. Was dem einen das Cape, war dem anderen ein runder Helm mit herunterklappbarem Visier. Er würde das sonnenblonde Haar des Prinzen wie auch sein Gesicht verbergen.   
    Entschlossen öffnete Twikus die Tür, die in den Innenhof führte. Jetzt nur keine Unsicherheit zeigen!, mahnte er sich. Du bist kein Eindringling, sondern einer von Wikanders Leibgardisten.
    Mit zwei Schritten war er im Freien. Die Bohlen unter seinen Füßen knarzten. Wie erwartet führte eine Treppe aus Holz in den Hof; üb e

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