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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Angst«, beeilte sich der Junge zu versichern.
    »Ich bin nur… Hier draußen ist alles so…«
    »Weit?«
    »Ja.«
    »Daran gewöhnt man sich. Einige nennen diese  Grenzenlosigkeit Freiheit.«
    Der Junge nickte ernst. Er war immer noch blass.
    »Das ist vielleicht kein schlechter Augenblick, um dir und deinem Bruder etwas zu sagen. Bekommt Ergil alles mit?«
    Bist du da, Bruderherz?
    Spürst du das nicht? Außerdem, wenn der Oheim diesen Ton annimmt, dann kann man gar nicht weghören.
    Twikus nickte. »Er ist ganz Ohr.«
    Der alte Waldläufer blickte den Jungen eine ganze Weile durchdringend an, was gewöhnlich ausreichte, um sich Aufmerksamkeit zu verschaffen. Hiernach deutete er mit dem Daumen über die Schulter. »Wir verlassen jetzt den Großen Alten, in dem ihr eure Kindheit verbracht habt. Da drinnen kanntet ihr euch aus, wart tage i n, tagaus behütet. Was vor euch liegt, ist ungewiss. Selbst ich kann mit den Jahren meiner Erfahrung nur ahnen, welchen Herausforderungen und Gefahren ihr euch da draußen stellen müsst, aber ihr sollt etwas wissen, solange noch ein paar letzte Zweige Gandimzafaroths über unsere Köpfe ragen.«
    Der Junge hatte sein Schwindelgefühl vergessen und lauschte ehrerbietig. Falgon neigte dazu, sich von jeder Hast frei zu machen, wenn er gewichtigen Worten Ausdruck verleihen wollte. In einem solchen Moment würde jede Unterbrechung den gemächlichen Takt seiner Gedanken nur stören. Der Alte wiederholte die Geste mit dem Daumen.
    »Im Wald war ich euer Beschützer. Dieser Abschnitt unseres gemeinsamen Lebens geht jetzt zu Ende. Ab heute bin ich euer Begleiter.«
    Twikus schluckte einen Kloß hinunter. »Danke, Oheim.«
    »Wofür?«
    »Du bist immer für uns da gewesen, wenn wir mit unseren großen und kleinen Sorgen zu dir kamen.«
    »Daran wird sich auch nichts ändern, selbst wenn ihr dereinst als Könige auf Soodlands Thron sitzen werdet. Und nachdem ich zu meinen Ahnen versammelt worden bin, werden meine Worte in euch weiterklingen.« Falgon lächelte. »Zumindest wünscht sich das jeder richtige Vater.«
    Mehr als alles andere berührten die letzten Worte das Zwillingspaar. Twikus musste sich mehrmals räuspern, bevor er feierlich erwiderte: »Auch wenn nicht das gleiche Blut in  unseren Adern fließt, haben wir uns immer eher wie deine  Söhne als nur wie Zöglinge gefühlt, Oheim.«
    Falgon nickte ernst. »Wir sind durch ein Band vereint, das kein noch so scharfes Schwert durchschneiden kann. Und jetzt kommt!« Er schnalzte mit der Zunge und drückte seinem Rappen die Hacken in die Weichen, sodass der Hengst einen Satz nach vorne machte und losgaloppierte. Es war typisch für den einstigen Waffenmeister, rührs e ligen Momenten auf diese Weise ein abruptes Ende zu bereiten.
    Twikus hielt die Luft an, als er Feuerwind aus dem Schutz der Rotgranne heraus unter den freien Himmel trieb. Da die schnelle Gangart seine ganze Aufmerksamkeit erforderte, vergaß er rasch die b eunruhigende Weite. Die Hufe seines Pferdes stampften über den weichen Grasboden. Die Luft pfiff ihm in den Ohren. Sein mächtiger Hengst sprengte voran, als wolle er mit den Wolken am blauen Firmament um die Wette laufen. Die Unsicherheit wurde Twikus wie ein loser Hut vom Kopf gerissen und zum Vorschein kam ein ganz neues Gefühl, das er so noch nie empfunden hatte. Es war wie ein Rausch. Der Rausch der Freiheit.
    Schekira wurde der Ritt bald zu unruhig. Sie verwandelte sich in einen graubraunen Sperlingsfa l ken mit hell gepunkteter Brust und erhob sich in die Luft. Es dauerte nicht lang und Twikus hatte Falgon eingeholt. »Was denn, Oheim, schneller kannst du nicht?«, rief er übermütig und preschte an dem Rappen vorüber.
    »Nimm Rücksicht auf dein Pferd, Junge!«
    Twikus lachte. »Wieso? Feuerwind hat mich bei unserem ersten Ritt auch nicht geschont.«
    Die Kraft des Rotfuchses schien fürwahr unerschöpflich zu sein. Nachdem Twikus drei oder vier Bogenschuss weit galoppiert war, konnte sein Bruder nicht länger still bleiben.
     
    Du hast ja gerade die Gewalt über unseren Körper und ich will mich auch nicht in deine Zeit einmischen, aber trotzdem wäre ich dir sehr verbunden, wenn du Feuerwind ein wenig zügeln würdest.
    Warum? Wird dir etwa schlecht? Verschwinde einfach wieder in der Versenkung, dann siehst und hörst du nichts.
    Würde ich ja, wenn ich könnte, aber dazu bin ich viel zu aufgeregt. Dir stülpt sich gleich der Magen um.
    Unsinn, davon merke ich nichts.
    Wart’s ab!
    Deine

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