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Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Mirad 01 - Das gespiegelte Herz

Titel: Mirad 01 - Das gespiegelte Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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förmlich.«
    »Na ja, es war doch Ergil, der große Tarpunjäger, dem du dein Vertrauen geschenkt hast, nicht mir.«
    »Jetzt sei nicht beleidigt, Twikus. Ich weiß länger über euch beide Bescheid als ihr. Wenn sich schon Brüder, die nebeneinander aufwachsen, gegenseitig beeinflussen, dann umso mehr Zwillinge, die im selben Körper stecken. Deshalb habt ihr mich gemeinsam gerettet und ich bin euch beiden dankbar.«
    »Wirklich?«
    »Wäre ich sonst mit euch gegangen? Als ich meinen Eltern heute Nacht von der überstürzten Abreise erzählte, waren sie einigermaßen beunruhigt. Zum Glück sind die Waldelven nicht ohne Thronfolger – ich habe ein gutes Dutzend Brüder –, sonst hätte mein Vater mich gewiss nicht ziehen lassen.«
    »Vor lauter Aufregung habe ich darüber gar nicht nachgedacht. Danke, Schekira, dass du so viel für mich opferst.«
    »Sa g Kir a z u mir.«
    »Wa s sol l ich…?«
    »So nennt mich meine Mutter.«
    »Ich weiß, aber…« Twikus war beschämt. Ihm fehlten die  Worte.
    »Hat dein Bruder auc h zugehört?«
    »Mir scheint, er ist eingeschnappt und schmollt vor sich hin.«
    »Es könnte auf die Dauer recht ermüdend werden, wenn ich euch alles doppelt erklären muss. Sag ihm also bitte, worüber wir gesprochen haben, sobald er wieder da ist. Das wäre vielleicht auch keine schlechte Gelegenheit, sich gleich bei ihm zu entschuldigen.«
    Twikus schluckte, aber dann grinste er und nickte. »Mach ich, Kira. Und noch mal: Danke.«
     
    Sie ritten zweieinhalb Tage lang in Richtung Westen. Schon jetzt war es die längs t e Reise, die Ergil und Twikus je unternommen hatten. Als sie in die bisher unerforschten Regionen des Waldes eindrangen, kamen sie aus dem Staunen kaum noch heraus. Sie durchquerten Sümpfe, Schluchten und Flüsse, sahen fremdartige Pflanzen und Tiere. Wenn sie hier und da im Vorbeireiten die Rinde eines jener Baumriesen berührten, die wie himmelhohe Türme vereinzelt über das Dach des Waldes emporragten, konnten sie deren unglaubliches Alter spüren. Und wenn der Regen – wie allzu oft – in dicken Tropfen aus den Wipfeln fiel, dann fühlten sie das neu aufkeimende Leben. So wurde der Abschied aus dem Refugium ihrer Kindheit für sie eine unvergleichliche Erfahrung, die allem einen Sinn gab, was sie je über das grüne Reich gehört und gelernt hatten.
    Bevor sie die G renze des Großen Alten überschritten, lagerten sie ein letztes Mal unter den Wipfeln, die Ergil und Twikus mit ihrem Rauschen so oft in den Schlaf gewiegt hatten. In dieser Nacht fanden die Brüder jedoch nur wenig Ruhe, der Übermütigere immerhin etwas mehr als der  Nachdenklichere. Als Falgon noch vor Sonnenaufgang an der Schulter des Jungen rüttelte, war es daher Ergil, der sich gähnend meldete.
    »Müsse n wi r scho n aufbrechen?«
    »Komm schnell! So etwas hast du noch nicht gesehen«, flüsterte der Waldläufer.
    Er g il war sofort hellwach. Er warf seine Decke zur Seite, erhob sich und folgte dem Schatten seines Ziehvaters. Die Nacht war mild, der Mond schon vor Stunden untergegangen. Unzählige Sterne verstreuten ihr fahles Licht über dem Wald. Bald hörte der Junge ein leises Geräusch, einen hellen Singsang, der mal au f - , dann wieder abschwellte. Ergil kannte einige Lieder, hatte sich auch schon selbst ein paar ausgedacht, aber diese Musik war wunderbarer als alles, was er sich je hätte vorstellen können. Er spürte die in den Tönen eingewebte Macht. Die fremden Harmonien klangen traurig und hoffnungsvoll zugleich. Wie wärmende Sonnenstrahlen berührten sie sein Herz.
    Inzwischen waren die beiden Waldläufer etwa einen Bogenschuss weit vom Lager entfernt und Falgon deutete n ach vorn. »Siehst du das Funkeln dort?«
    Ergil sah es und nun war er völlig hingerissen. Zwischen den schwarzen Säulen der Baumriesen glitzerte es, als würden Millionen silberner Schneeflöckchen im Sternenlicht tanzen. Ohne auf Wurzeln und trockene Äste zu achten, stapfte der Junge noch einige Schritte weiter, bis ihn Falgon an der Schulter festhielt und flüsterte: »Wir wollen sie besser nicht stören.«
    »Was ist das, Oheim?«, hauchte Ergil ergriffen.
    »Die Waldelven. Sie nehmen Abschied von Schekira. Das Blinken und Gleißen kommt von den Satimkörnchen, die sie mit ihrem Gesang tanzen lassen. Die Elven müssen sie für ihre Prinzessin ausgestreut haben.«
     
    »Das ist Satim?«
    »Ja, in seiner ursprünglichsten Form.«
    Unwillkürlich fasste sich Schekiras Retter an die Brust, wo der silberne Dorn

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