Mirad 03 - Das Wasser von Silmao
der Bauwerke erinnerten ihn an einen Traum, den er und Twikus in der Nacht vor ihrem Abschied von der Sooderburg gehabt hatten. Darin sahen sie einen Palast, so strahlend hell wie der Turm aus Drachenbein, welcher über der soodländischen Königsfestung in den Himmel ragte.
Nach dem Erreichen bewohnter Gegenden begann sich die Geschichte vom Sieg der Zwillinge über Magos wie ein Lauffeuer zu verbreiten. Die Chronistin kann sich nicht ganz von der Schuld freisprechen, unfreiwillig dazu beigetragen zu haben, weil sie bei der ersten sich bietenden Möglichkeit Botenfalken an die im Herzland verstreuten Königshöfe geschickt hatte, um die Landesfürsten zum »Großen Rat der Sechs« nach Sooderburg einzuladen. So säumten bald Scharen jubelnder Menschen die Ufer des Fendenspunds. Mit jedem Tag öfter hörte man den Ruf: »Es lebe Ergil, es lebe der Großkönig des Sechserbunds!«
Nach wenigen Tagen wurde aus fast jeder Rast ein Fest.
Zahlreiche Schiffseigner stellten den Heimkehrern ihre Fahrzeuge zur Verfügung. Die Flöße wurden ausgemustert, auch deshalb, weil immer mehr Soldaten das Heer verließen, um auf dem Landweg nach Hause zu wandern. Doch es gab auch andere, die sich Ergil auf seiner Reise anschlossen. Aus Tarabant, der Hauptstadt von Yogobo, stieß König Yabun Balkasar I. zu ihm. Bei Ost-Blund bestieg Borst, der ehemalige Herrscher von Pandorien, Ergils Schiff. (Borsts Waffenmeister Torbas hatte an dem Harim-zedojim-Feldzug mit einer kleinen Heerschar teilgenommen.)
Im Herzogtum Bolk löste sich dann das vereinigte Heer vollends auf. Zuvor richtete der Hof zu Ehren der Sieger ein großes Fest aus, bei dem es auch ein Wiedersehen mit Kapitän Bombo und seinen Männern gab. Auf der Seskwin, dem Schoner des einstigen Flusspiraten, setzte der König von Soodland seine Reise fort, nun auch begleitet von Quondit Jimmar Herzog von Bolk, mit dessen Sohn Tusan ihn eine enge Freundschaft verband.
Der Einzug in die Sonnenstadt Seltensund geriet dann endgültig zum Triumphzug für Ergil. Selbst Stromlands König Hilko und dessen Vetter Hjalgord, die sich in der Vergangenheit ja nicht unbedingt zu den Erben Torlunds des Friedsamen bekannt hatten, erwiesen dem jungen Monarchen nun ihre Reverenz. Sie taten es wohl mit Zähneknirschen, weil das Volk dem Helden zujubelte. Insgeheim müssen sie schon zu dieser Zeit andere Pläne gehabt haben.
Hilko führte dringende Staatsangelegenheiten an, um sich vor der Reise nach Soodland zu drücken. Um seine Verweigerungshaltung in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, berief er den Herzog von Bolk zu seinem Sonderbotschafter. Der gewitzte Qujibo werde mit seiner Erfahrung das Stromland im Großen Rat trefflich vertreten, erklärte Hilko, während er zugleich den Entscheidungsspielraum seines frisch ernannten Emissärs stark einengte. Trotz seiner Jugend hatte Ergil ein feines Gespür für vertrauenswürdige Ratgeber und solche Menschen, denen man besser mit Vorsicht begegnete. Obwohl er Hilko und seinen Vetter zur zweiten Gruppe zählte, machte er sich zu dieser Zeit keine Vorstellung vom Ausmaß ihrer Durchtriebenheit. Und er ahnte schon gar nicht, in welche bedrohliche Lage die beiden ihn und sein Reich bald bringen würden.
Von Neu-Seltensund aus stach Ergil mit seinen Begleitern in See, um wenig später in Sooderburg heimischen Boden zu betreten. Die Hauptstadt Soodlands, die ihren Namen dem uralten Palast ihrer Könige verdankt, hatte sich festlich herausgeputzt. Obwohl der lange harte Winter und der viel zu kühle Sommer manche Not über die Menschen gebracht hatte, hieß man den König überschwänglich willkommen. Immerhin hatte Ergil im Alter von gerade achtzehn Jahren einen Gott besiegt. Welches andere Land konnte schon einen solchen Monarchen vorweisen?
Die Nachricht vom Tod des soodländischen Waffenmeisters war den Heimkehrern schon vorausgeeilt. Sie hatte Ergils Ruhm eher noch gemehrt. Nach der schlichten Denkweise der einfachen Leute folgte das eine aus dem anderen: Wenn jemand einen Feind bezwungen hat, dem sogar der tapfere Falgon unterlegen war, dann muss der am Ende Überlebende unbesiegbar sein. Um das zarte Pflänzchen der gerade aufkeimenden Hoffnung nicht gleich wieder mit einem Staatstrauertag im Keim zu ersticken, ordnete der junge König eine stille Beisetzungszeremonie für seinen Ziehvater an. Das Haupt des Waffenmeisters wurde in der Königsgruft von Sooderburg zur letzten Ruhe gebettet. Mehr hatten die Waggs von ihm nicht übrig gelassen.
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