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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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sich auf
einen Höhepunkt zubewegt, denkt man daran, daß ihm das Abgleiten in das Tief
folgt, und wenn man sich stark fühlt, daran, daß man bald wieder schwach sein
wird. Das Gefühl der Unschuld und Freiheit gemahnt einen an Verdorbenheit und
Einengung, Hoffnung läßt an Verzweiflung denken. Wieder einmal finde ich
keinen, gegen den sich mein heftiger Zorn richten könnte, außer Sarhan
al-Buheri!
    Wir setzen uns unter den
Blaugummibaum im Casino am Nilufer. Die sinkende Sonne gießt ihre Strahlen über
uns aus und bringt die beißende Kälte von Kairo allmählich zum Schmelzen.
    »Ich hätte nicht kommen dürfen!« sagt
sie und meidet meinen Blick.
    »Aber nun bist du gekommen und hast
damit deine Unschlüssigkeit überwunden«, will ich sie beruhigen.
    »Nichts ist überwunden, glaub mir!«
    Fest entschlossen, mich in den Abgrund
zu stürzen, sehe ich sie an: »Ich bin überzeugt, daß dein Kommen ...«
    »Die Sache ist ganz einfach die, daß
ich nicht mit deinen Briefen allein bleiben wollte.«
    »Ich glaube nicht, daß meine Briefe
irgend etwas Neues enthalten.«
    »Aber du hast sie an jemanden gesandt,
den es gar nicht mehr gibt!«
    Ich greife nach ihrer Hand, die auf dem
Tisch liegt, als ob ich ganz sichergehen will, daß sie wirklich hier bei mir
ist. Doch sie zieht sie zurück und spricht weiter: »Du hast sie vier Jahre zu spät
geschickt!«
    »Sie sprechen von Tatsachen, die Zeit
und Ort überdauern! «
    »Siehst du denn nicht, daß ich schwach
und unglücklich bin?«
    »Glaubst du denn, ich bin es nicht? In
den Augen unserer Freunde bin ich ein Spitzel, in meinen eigenen Augen ein
Betrüger, und ich habe niemanden außer dir.«
    »Was für ein Trost!«
    »Wenn ich ihn nicht mehr habe, bleiben
mir nur noch der Tod oder der Wahnsinn!«
    Sie seufzt nervös auf und sagt leise:
»Ich war im Grunde schon immer eine untreue Frau!«
    »Nein, du warst ein Musterbeispiel für
falsche Treue.«
    »Aber das ist doch nur ein anderes Wort
für die Treulosigkeit, den Betrug, die mir solche Schuldgefühle bereiten und
mich fast zerrissen haben!«
    »Wir haben nicht den geringsten Grund,
uns innerlich zerrissen zu fühlen«, entgegne ich zornig, »das ist der Kern
unserer Tragödie!«
    Wir blicken auf den bleigrauen Nil und
seine kaum erkennbaren Wellen.
    Meine Hand stiehlt sich unter dem Tisch
zu ihrer, schließt sich zärtlich um sie und hält sie trotz ihres leichten
Widerstands fest.
    »Wir sollten uns nicht von
Hirngespinsten leiten lassen!« flüstere ich ihr zu.
    Traurig entgegnet sie: »Wir sinken
stärker, als du denkst!«
    »Aber wir werden aus dieser Prüfung
geläutert hervorgehen wie reines Gold!« Ein übermächtiger Wunsch treibt mich
dem Abgrund entgegen, als sei er schon um seiner selbst willen ein
erstrebenswertes Ziel oder als sei die Hölle der Endpunkt der Suche nach dem
Glück.
    Am Bahnhof von Kairo
treffe ich einen alten Freund, einen Journalisten mit progressiven Neigungen,
der sich aber nicht für Politik interessiert. Wir setzen uns ans Büffet. Ich
warte auf den Triebwagen nach Alexandria. Er will jemanden abholen, der vom
Suezkanal kommt.
    Er sagt: »Ich freue mich über diese
gute Gelegenheit. Ich wollte dich ohnehin schon seit längerem sprechen.«
    Nun gut, was willst du von mir? Seitdem
ich nach Alexandria versetzt worden bin, habe ich ihn nicht mehr gesehen.
    »Was treibt dich denn nach Kairo?«
fragt er.
    Verwirrt schaue ich ihn an. Ja, er
wußte im voraus, daß seine Frage mich in Verwirrung setzen würde.
    »Ich frage so offen, weil wir alte
Freunde sind. Es heißt, du kämst nur wegen Madame Fauzi hierher.«
    Ich fühle mich nicht so betroffen, wie
er das offenbar erwartet hat. Wir, Durrejja und ich, hatten früher schon unsere
Zweifel, ob unsere Beziehungen verborgen bleiben würden. So entgegne ich
lässig: »Sie braucht jetzt einfach jemanden, der zu ihr hält, weißt du!«
    »Ich weiß aber auch ...«
    »Du weißt, daß ich sie schon seit
langem liebe«, unterbreche ich ihn herablassend.
    »Und Fauzi?« fragt er voller
Anteilnahme.
    »Er ist viel stärker, als alle denken.«
    »Als dein Freund bin ich nicht sehr
glücklich über das, was man erzählt«, meint er bekümmert.
    »Und was erzählt man? Sag es mir doch!«
    Doch er schweigt. So sage ich nervös:
»Ich bin ein Spitzel, bin zur rechten Zeit geflohen, und nun habe ich mich in
das Haus eines guten alten Freundes eingeschlichen.«
    »Ich wollte nur sagen ...«
    »Aber du glaubst es jedenfalls auch?«
    »Nein! Und ich

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