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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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eines
Tages meine Gefühle so überwältigen, daß ich dumm genug bin, dir zu sagen, daß
ich dich immer noch liebe.
    Und zwar so sehr, wie ich es tat, als
wir uns zum ersten Mal begegneten.«
    Plötzlich kam ich wieder zu Bewußtsein.
Was für eine Dummheit! Welcher Irrsinn! Was wollte ich eigentlich? Ich war
entschieden zu weit gegangen, hatte mich benommen wie jemand, der, um seine
brennenden Kleider zu löschen, ins tiefe Wasser springt, ohne schwimmen zu
können.
    »Aber, Mansur!« wies sie mich zurecht.
    Ich zog mich in mich zurück, als hätte
sie mich heftig geohrfeigt. Enttäuscht entschuldigte ich mich: »Ich weiß nicht
mehr, was ich eben gesagt und wie ich es vorgebracht habe. Aber glaub mir, ich
bin einfach nicht in der Lage, mir mein Glück zu erkämpfen!«
    Als ich wieder im Zug nach Alexandria
saß, sagte ich mir, daß es viel leichter ist, in Briefen mutig zu sein.
    Lärm hat mich aufgeweckt.
War das ein Echo des Kampfes, der in mir tobt?
    Nein, der Kampf wird gerade in der
Pension ausgetragen! Als ich hinausgehe, werde ich Zeuge der letzten Szene. Den
Gesichtern ist anzusehen, daß Sarhan al-Buheri, eine mir unbekannte Frau und
Zuchra die Helden wie die Opfer dieses Kampfes sind. Aber wer ist diese Frau?
Und was hat Zuchra mit der Geschichte zu tun?
    Später bringt mir Zuchra wie üblich
meinen Tee. Sie erzählt mir, was vorgefallen ist. Eine Frau habe Sarhan
verfolgt, als er in die Pension zurückkehrte. Es habe eine Schlägerei zwischen
ihnen gegeben, und sie sei hineingezogen worden, als sie die beiden trennen
wollte.
    »Wer ist denn die Frau eigentlich,
Zuchra?«
    »Das weiß ich auch nicht.«
    »Madame hat mir erzählt, sie sei
Sarhans Verlobte gewesen. «
    »Möglich«, stößt sie nach kurzer Pause
hervor.
    »Und warum hat sie sich auf dich
gestürzt?«
    »Ich habe doch schon gesagt, ich wollte
sie voneinander trennen.«
    »Aber das ist doch noch kein Grund
dafür, daß Ihr aneinandergeraten seid!«
    »Es ist eben passiert!«
    Voller Zärtlichkeit und Sympathie
schaue ich sie an und frage: »Ist vielleicht zwischen dir und ...?«
    Sie überhört meine Frage, so fahre ich
fort: »Das wäre doch keine Schande!
    Außerdem mag ich dich. So stelle ich
dir die Frage im Namen unserer freundschaftlichen Gefühle füreinander.«
    Sie senkt bejahend den Kopf.
    »So bist du also verlobt und hast mir
das bisher nur verschwiegen?«
    Nun schüttelt sie den Kopf, um zu
verneinen.
    »Oder ist die Verlobung nur noch nicht
offiziell bekanntgegeben worden?«
    »Es kommt schon alles zu seiner Zeit!«
meint sie zuversichtlich.
    Mich packen Bedenken. Ich will sie
warnen: »Aber du siehst doch, er hat die andere sitzengelassen!«
    »Er hat sie eben nicht geliebt«,
verteidigt sie ihn unschuldig.
    »Und warum hat er sich dann mit ihr
verlobt?«
    Sie sieht mich mitleidig an, nimmt dann
ihren Mut zusammen und sagt:
    »Sie war ja gar nicht seine Verlobte.
Sie ist eine Nutte!«
    »Ein Vertrauensbruch bleibt in jedem
Fall ein Vertrauensbruch!« Meine Worte hören sich für mich selbst seltsam an,
betrüblich, und verursachen mir einen schlechten Geschmack im Mund. Ich bin
ebenso wütend auf mich selbst wie auf Sarhan und verwünsche ihn in Gedanken
heftig.
    Neugierig blicke ich sie an, denn ich
erwarte, daß sie mir mehr über ihre Beziehungen zu Sarhan erzählt. Statt dessen
fährt sie fort: »Ich will etwas lernen!«
    Ich verstehe überhaupt nichts und
schaue sie weiter fragend an.
    »Ich habe mit Sitt Alejja Mohammed,
unserer Nachbarin, der Lehrerin, ausgemacht, daß sie mir Stunden gibt.«
    »Ach, wirklich?« rufe ich erstaunt.
    »Ja, wir haben uns über alles
geeinigt.«
    »Das ist ja ganz hervorragend, Zuchra!
Wie bist du denn auf den Gedanken gekommen?«
    Stolz entgegnet sie: »Das war ganz
allein meine Idee!«
    »Ja, schon, aber wer hat dich
daraufgebracht?«
    »Ich habe mir gesagt, daß ich nicht ein
ganzes Leben lang ein dummes, kleines Mädchen bleiben will. Außerdem habe ich
noch ein anderes Ziel.«
    »Nämlich was für eins?«
    »Ich will einen Beruf lernen.«
    »Das ist ja wirklich fantastisch,
Zuchra, wunderbar!« rufe ich und sehe sie voller Glück und Stolz an.
    Glück und Stolz erfüllen mich immer
noch, als ich später allein in meinem Zimmer sitze. Es gießt in Strömen. Das
Tosen der Wellen in abgehackten Rhythmen spricht seine unbekannte Sprache. Dann
ebbt meine Euphorie ab, wird allmählich zu kühler Gleichgültigkeit, und
schließlich spüre ich wieder meine übliche Depressivität. Wenn man

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