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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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weiß sehr wohl, was man mir
nachgesagt hat«, stieß ich in wütendem Kummer hervor. »Man behauptete, ich
wollte wiederkommen, um als Spitzel für meinen Bruder zu arbeiten.«
    »Mir reichen jetzt meine eigenen
Sorgen!« rief sie widerwillig und verärgert.
    Ich fügte mich mit einem
entschuldigenden Blick und sagte: »Durrejja, du kennst meine Gefühle sehr gut.«
    »Ich danke dir!«
    Verletzt rief ich: »Ich meine das
Gefühl, daß ich jetzt eigentlich bei ihnen sein müßte.«
    »Es hat doch keinen Sinn, daß du dich
so quälst!« entgegnete sie traurig.
    »Ich möchte ... ich möchte wissen, was
du denkst. Sag es ganz offen!«
    Kurze Zeit herrschte drückendes
Schweigen, dann erklärte sie leise: »Ich habe dich in meinem Haus empfangen,
oder, wenn du so willst, in seinem Haus. Genügt dir das denn nicht?«
    Sie seufzte hörbar, aber ich war immer
noch nicht zufrieden, war mir vielmehr sicher, daß ich bald wieder die
Höllenqualen fühlen würde, die ich vorher verspürt hatte. Doch das war nicht
der Augenblick, um über Fehler zu rechten.
    So versprach ich: »Ich werde dich von
Zeit zu Zeit besuchen. Und du mußt mir über alles, was geschieht, schreiben!«
    Die Fahrt hatte mich
angestrengt. So beschloß ich, in der Pension zu bleiben.
    Ich gesellte mich zu denen, die um das
Radio herum saßen. Zu meinem Glück waren es ohnehin diejenigen, die ich in der
Pension am liebsten mochte: Amir Wagdi, Madame und Zuchra. Ich war so in
Gedanken vertieft, daß ich auf die Gespräche um mich herum nicht achtete. Aber
plötzlich hörte ich, wie Madame zu mir sagte: »Sie sind immer irgendwo in Ihrer
geistigen Welt, weit weg von uns.«
    Amir Wagdi entgegnete ihr: »Das haben
kluge Leute nun einmal so an sich« und schaute mich voller Sympathie an. Dann
fragte er mich: »Haben Sie eigentlich die Absicht, aus Ihren Kulturprogrammen
einmal ein Buch zusammenzustellen?« Sein umwölkter Blick ruhte immer noch auf
mir.
    Ohne die Wirklichkeit im Auge zu
behalten, entgegnete ich: »Ich gedenke, eines Tages ein Programm über Täuschung
und Betrug in Ägyptens Geschichte zu machen. «
    »Täuschung und Betrug! Was für ein
weites Feld!« Er lachte lange und fuhr dann fort: »Wenden Sie sich nur an mich!
Ich werde Ihnen mit Quellenmaterial und mit meinen Erinnerungen zur Verfügung
stehen.«
    »Ich liebe dich, und du liebst mich.
Laß mich doch mit ihm reden!«
    »Du bist wohl verrückt!«
    »Er ist schließlich klug und
einsichtig. Er wird uns verstehen und verzeihen.«
    »Aber er liebt mich und hält dich für
seinen besten Freund. Begreif doch!«
    »Er verabscheut Betrug. Ich kann ihn
sehr gut verstehen. «
    »Ein Programm über
Täuschung und Betrug«, sprach Amir Wagdi weiter, »was wird das wohl für ein
Programm werden! Aber Sie müssen unbedingt hinterher ein Buch darüber machen,
sonst werden Sie von den Leuten vergessen, so, wie es mir geschehen ist. Von
denen, die ihre Gedanken nicht zu Papier gebracht haben, hat man nur Sokrates
nicht vergessen.«
    Madame lauschte einem griechischen
Schlager, den sie sich gewünscht hatte, einem Lied von einem jungen Mädchen,
das die vielen Vorzüge besang, die der Mann seiner Träume besitzen sollte. So
oder ähnlich hatte Madame den Inhalt angegeben. Wie sie da mit hingebungsvoll
geschlossenen Augen dem Schlager zuhörte, es war ein rührend eindrucksvoller
Anblick.
    Sie wirkte wie die tragikomische
Verkörperung der Lebensfreude.
    Amir Wagdi fuhr fort: »Er lebte in seinem
Schüler Plato weiter. Aber seltsam ist schon, daß er lieber Gift schluckte, als
an die Möglichkeit einer Flucht zu denken. «
    »Ja«, warf ich bitter ein, »und das,
obwohl er nicht unter dem Gefühl litt, eine Schuld oder einen Irrtum begangen
zu haben.«
    »Wie viele Menschen gibt es heute, die,
vergliche man sie mit Sokrates, einer ganz anderen Gattung anzugehören
scheinen!«
    Verbittert und außer mir vor Zorn sagte
ich: »Das eben sind die Betrüger!«
    »Es gibt Wahrheiten und Mythen. Das
Leben, mein Lieber, ist nun einmal verwirrend!«
    »Aber Sie gehören doch zur Generation
derer, die noch an etwas glaubten!«
    »Glaube ... Zweifel ...«, lachte er,
»sie sind wie Tag und Nacht.«
    »Was meinen Sie damit, bitte?«
    Er schwieg einen Augenblick und sagte
dann: »Ich meine, sie sind nicht voneinander zu trennen. Und Sie, mein Sohn,
welcher Generation gehören Sie an?«
    Verdrossen erklärte ich: »Auf das, was
wir tun, kommt es an, nicht auf das, woran wir glauben. So bin ich im Grunde
bloß ein

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