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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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in einer
angenehmen, ruhigen Atmosphäre zusammengefunden, um zu lauschen. Auch Raf at
Amin hatte mich eingeladen, zu ihm zu kommen. Aber nach einigem Nachdenken
entschließe ich mich, die Nacht in der Pension zu verbringen, um die anderen
Gäste besser kennenzulernen. Ich erblicke eine große Platte mit gebratenem
Fleisch und trinke schnell, um Mut für den Überfall zu fassen, der
unausweichlich wird. Es herrscht eine geradezu märchenhafte Atmosphäre. Ich
trage die Mär von der »Familie al-Buheri« und allerlei über meine Position als
Prokurist vor, nicht nur aus gespieltem Stolz, sondern auch in Erwartung der
Reichtümer, die fließen werden, wenn Ali Bakir sein Abenteuer glücklich hinter
sich gebracht hat. Gespräche über Politik brechen über uns herein wie das
unabänderliche Schicksal. Haben Sie schon gehört ...? Was sagen Sie zu ...?
Wollen Sie meine Meinung wissen, in aller Offenheit? Instinktiv begreife ich,
daß ich die Revolution zu repräsentieren habe, möglicherweise gemeinsam mit
Mansur. Es regnet Lobpreisungen, und wir prosten uns gegenseitig zu. Ich
beobachte Zuchra und sage mir, daß eigentlich sie zuallererst die Revolution zu
repräsentieren hätte, denn mir fällt ein, wie sie sie einmal in meiner Gegenwart
gerühmt hat und wie mich die Ehrlichkeit und die unschuldige Begeisterung in
ihren Worten faszinierten. Mansur Bahis Zweifel an meiner Aufrichtigkeit sind
unverkennbar. Mein Lieber, begreif doch: Ich bin von Natur aus ein Feind der
Feinde der Revolution. Ich gehöre zu denen, denen sie Segnungen verheißt,
versteh doch!
    »Es sind ebensoviele
Türen zugeschlagen worden wie neue geöffnet wurden!«
    »Denk einmal an die Volksmassen, dann
urteile von neuem!«
    »Einverstanden, aber was meinst du zu
den Habgierigen, die aus allem ihren Nutzen gezogen haben?«
    »Ich meine, daß sie in Wirklichkeit
Feinde der Revolution sind und daß man nicht von ihnen auf die Revolution
schließen darf!«
    Madame Mariana habe ich
liebgewonnen. Nicht nur, weil sie unsere Lieder mag, sondern auch weil sie
geistreich und witzig ist, weil sie — wie ein Tonband — ihre
Lebenserinnerungen, gewürzt mit Ursehnsucht nach Griechenland, vor uns
abspielt. Ihre Erinnerungen machten mir manches in meinem eigenen Leben klarer,
ihre Geschichten über ihre alte Liebe etwa oder ihre Vorliebe für ein üppiges,
angenehmes Leben. Sie stammt eigentlich aus einer Emigrantenfamilie. Und
Emigranten sehen ihr Vaterland überall da, wo ihnen ein angenehmes Leben in
Wohlstand sicher ist.
    Amir Wagdi ist im Grunde ein Denkmal,
das Mansur Bahi entdeckt hat, ein Denkmal aus einer höchst faszinierenden
Periode unserer Geschichte, von der wir kaum etwas wissen.
    Als Tolba Marzuq die Errungenschaften
der Revolution preist, preise ich im stillen seine äußerst amüsante Heuchelei.
Ich begnüge mich mit der Einsicht, daß der Mensch trotz all seiner
Erfindungsgabe und seiner Siege bis über beide Ohren in Dummheit steckt.
Vielleicht wäre es recht nützlich, wenn wir Leute, die miteinander verfeindet
sind, immer wieder einmal zusammennähmen, damit sie gemeinsam eine lange Nacht
verbringen und miteinander trinken, fröhlich sind und hübschen Liedern
lauschen.
    »So glaubst du also nicht
an Paradies und Hölle?«
    »Das
Paradies ist der Ort, wo der Mensch Sicherheit und Würde genießen kann, die
Hölle ist dort, wo er beides nicht findet!«
    Wenn Mansur über meine Witze lacht, wirkt er wie ein
goldiges Kind, und dann verspüre ich die Hoffnung, daß ich den Weg zu seinem
Herzen doch noch entdecken werde und daß uns am Ende dieser Nacht eine innige
Freundschaft verbindet. Husni Allam dagegen! Es lebe Husm Allam! Er hat zu
diesem Abend mit zwei Flaschen Dewarts beigetragen. Er thront in seinem Sessel
wie ein Gemeindevorsteher, füllt die Gläser und verteilt sie und lacht immer
wieder schallend. Als er kurz nach Mitternacht plötzlich verschwindet, ist das
für unsere Runde ein schwerer Verlust.
    Ich kann mich an Umm Kulthum und ihren Liedern gar
nicht wie sonst erfreuen, singe auch keine Liedverse mit wie an anderen
Abenden. Mein Rausch und meine Freude entzünden sich vielmehr nur an Zuchra, ob
sie gerade kommt oder geht oder neben dem Wandschirm sitzt und lächelnd über
unsere Ausgelassenheit staunt. Mit unseren Blicken umarmen wir uns verstohlen ,
tauschen schwermütige Küsse miteinander.
    Diesen Mann habe ich doch schon gesehen! Er geht von
der Saad-Zaghlul-Straße her auf das Trianon zu, ich komme vom Platz her.

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