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Miramar

Titel: Miramar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagib Machfus
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Dann
plötzlich erkenne ich ihn, es ist Tolba Marzuq. Ich sehe ihn jetzt zum ersten
Mal in Straßenkleidung, in seinen dicken Mantel gehüllt, mit einer Kufijja um
den Hals und einem dunkelroten Tarbusch auf dem Kopf. Ich schüttle ihm ehrerbietig
die Hand und lade ihn zu einer Tasse Kaffee ein. Er gibt meinem Drängen nach,
und wir setzen uns an einen Tisch hinter die geschlossene große Scheibe, die
auf das Meer geht. Der Wind spielt mit den Blättern der Palmen, die rund um das
Denkmal von Saad Zaghlul stehen, und die Sonne läßt die Ränder der zarten
Wölkchen am Himmel diamanten schimmern.
    Wir unterhalten uns über Alltägliches,
Belangloses, Langweiliges, aber ich bin die ganze Zeit darauf bedacht, ihm
meine Verehrung und Sympathie zu zeigen, ihm zu schmeicheln. Etwas in mir sagt
mir, daß er nicht ganz mit leeren Händen dastehen kann. Natürlich, es muß ja
Wege geben, etwas zu retten. Vielleicht möchte er sogar den Rest seines
Besitzes nutzbringend anlegen, aber Angst hemmt ihn.
    So komme ich auf die
Lebenshaltungskosten zu sprechen: »Es ist geradezu absurd, wenn ein junger Mann
wie ich heute nur von seinem Gehalt leben soll!«
    »Was muß er also tun?«
    Ich sage leise, als ob ich ihm mein
Geheimnis anvertrauen wolle: »Ein kommerzielles Projekt, das ist das, woran ich
denke.«
    »Und woher haben Sie das Geld dafür?«
    Ich tarne mich mit einem unschuldigen
Lächeln: »Ich verkaufe einige Feddan Acker und suche mir dann einen Teilhaber.«
    »Aber können Sie denn Ihren Beruf und
ein kommerzielles Projekt gleichzeitig betreiben?«
    »Das Projekt muß ein Geheimnis
bleiben!« lache ich.
    Er wünscht mir Erfolg und öffnet dann
die Zeitung, um einen Blick in sie zu werfen, als habe er das Thema ganz
vergessen. Vielleicht ist er wirklich ehrlich, aber wahrscheinlich ist es eher
Taktik. Mich befällt jedenfalls das Gefühl, daß ich von ihm nichts zu erwarten
habe.
    Er weist auf eine rote Überschrift, in
der es um Ostdeutschland geht, und sagt: »Sie haben sicher davon gehört, wie
elend die Situation dort ist, besonders im Vergleich zu Westdeutschland.«
    So redet er also über Außenpolitik und
meint Innenpolitik! Ich stimme ihm zu, und er fährt fort: »Rußland kann einem
Land, das zu seinem Machtbereich gehört, nichts bieten, Amerika dagegen ...«
    »Aber Rußland hat uns mehrfach
wertvolle Unterstützung geleistet!«
    Schnell entgegnet er: »Das ist etwas
anderes, wir gehören ja schließlich auch nicht zu seinem unmittelbaren
Machtbereich!«
    Er wird so vorsichtig, daß ich meinen
Einwurf bereue. »Tatsache ist, daß sie beide, Rußland und Amerika, sich gleich
sind, wenn es um den Wunsch nach der Vormachtstellung in der Welt geht,
deswegen ist der Standpunkt der Neutralität, den wir einnehmen, klug, sehr
klug!« fährt er fort.
    Ich bedauere, daß er mir entschlüpft
ist und daß sich sobald keine Gelegenheit mehr bieten wird, das verlorene
Terrain zurückzugewinnen.
    »Wenn die Julirevolution nicht gewesen
wäre«, sage ich, »dann wäre das Land von einer blutigen Revolution erschüttert
worden, bei der kein Stein auf dem anderen geblieben wäre, das steht jedenfalls
fest!«
    Er nickt mit seinem Tarbusch. »Gott ist
groß und hat uns in Seiner Weisheit errettet!«
    Wo hast du denn gesteckt?
Wir hatten schon seit drei Tagen nicht mehr die Ehre miteinander! Wie kommt es,
daß du dich zuletzt doch noch an mich erinnert hast? Warum kehrst du überhaupt
zu alten, längst abgelegten Dingen zurück? Habe ich nicht gesagt, daß du ein
elender Feigling und ein Mistkerl bist! Ach, laß mich doch in Ruhe mit deinen
albernen Entschuldigungen! Und erzähl mir nicht von deiner so überaus wichtigen
Tätigkeit in der Gesellschaft. Wenn ein Minister eine Freundin hätte, würde er sie
jedenfalls nicht so vernachlässigen, wie du das mit mir tust!
    Ich lächle, gieße Wein in zwei Gläser
und habe sie innerlich so satt, daß ich mich vor ihr ekle. Jetzt spielt sie
sich auch noch als Tyrannin auf. Nun muß ich sie wirklich loswerden! Für immer
loswerden!
    Aber die Sorgen dieser Welt, alle
Kümmernisse dieser Welt lösen sich aus meiner Brust, wenn Zuchra in mein Zimmer
kommt und mir den Tee bringt.
    Wir umarmen uns lange. Ich küsse ihre
Lippen, ihre Wangen, ihre Stirn, ihren Hals. Konzentriert und genießerisch
spüre ich, wie sie ihre Lippen auf meine preßt.
    Dann tritt sie zwei Schrittchen zurück,
seufzt und flüstert klagend:
    »Manchmal glaube ich, alle wissen ... «
    Im Rausch der Liebe suche ich

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