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Mischpoche

Titel: Mischpoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Der Uniformierte hatte offensichtlich tatsächlich einen Tötungsbefehl gegeben. So etwas war, soweit er sich erinnern konnte, nicht einmal in der Monarchie vorgekommen. Doch noch ehe er reagieren konnte, fuhr der Wachmann fort: »Und verteilt euch unter die Stadtwachler. Es schaut besser aus, wenn die Kummerln glauben, die Sozis haben sie z’samm’g’schossen. Da sind wir dann fein raus.«
    Bronsteins Verlangen, Jelka aus dem ganzen Schlamassel herauszuholen, wurde immer stärker. Verzweifelt spähte er in die Menge der Demonstranten, und allenthalben meinte er, ihren charakteristischen Rotschopf zu entdecken. Doch nur allzu schnell musste er sich eingestehen, dass er sich getäuscht hatte. Der Ring der Exekutive zog sich allmählich um die Demonstranten zusammen, sodass diese nun wirklich umzingelt waren. Ihre letzte Chance, das erkannte auch Bronstein, bestand darin, den schwächsten Punkt der Polizeikette auszumachen und dort durchzubrechen. Bronstein sah sich nach seinen Begleitern um, doch die waren zwischenzeitlich verschwunden. Er fürchtete, sie könnten die übrigen Wachorgane zu einer unüberlegten Handlung provozieren, und überlegte fieberhaft, wie er auf den Gang der Ereignisse Einfluss nehmen konnte. Tatsächlich schien es, als beratschlagten die in der Falle sitzenden Kommunisten, wie sie sich aus ihrer misslichen Lage zu befreien vermochten, und wie es Bronstein vorausgesehen hatte, wählten sie die Schutzorgane der Stadt Wien als Ziel ihres Befreiungsschlages. Im Laufschritt näherten sich Protestierer der Absperrung und schickten sich sichtlich an, unmittelbar vor der gegnerischen Kette nochmals Fahrt aufzunehmen, um sie allein durch die Wucht ihrer Geschwindigkeit niederzureißen. Womit sie allerdings ebenso wenig wie Bronstein gerechnet hatten, war der Umstand, dass die städtischen Ordnungshüter angesichts der heranstürmenden Menge zu den Waffen griffen. Bronstein, der die Szene atemlos beobachtete, bezweifelte, dass eine Salve über die Köpfe der Demonstranten hinweg die Lage deeskalieren würde. Im Gegenteil, viel eher käme die Menge dadurch erst recht in Rage. Doch der Kommandant der Stadtwache hieß seine Männer anlegen, und Sekundenbruchteile später ertönte die Order zum Abfeuern der Gewehre. Fassungslos sah Bronstein, wie die Uniformierten direkt in die Menge zielten. Schon nach der ersten Salve blieben Dutzende Menschen im Straßenstaub liegen. Gleich danach erhob sich ein infernalisches Heulen und Wehklagen. Bronstein suchte an einer Hausmauer Halt und kämpfte mit seinen Innereien, um sich nicht übergeben zu müssen. Das, so erkannte er, war schlimmer als die Ereignisse im November. Die Menge wogte in nackter Panik hin und her und fand keinen Ausweg. Menschen trampelten über Tote und Verwundete, wurden selbst niedergerissen und verschwanden unter den Füßen anderer, die gleich den Gestrauchelten ihr Heil in der Flucht suchten. Und der Befehlshaber der Stadtwache befahl seinen Leuten nachzuladen.
    Bronstein hielt nichts mehr an seinem Platz. Die eben noch aufgekommene Übelkeit war schrankenlosem Zorn gewichen. Nicht einmal im Tierreich biss der Sieger dem Unterlegenen auch noch in die dargebotene Gurgel. In bemerkenswerter Geschwindigkeit erreichte Bronstein den Befehlsstand der sozialdemokratischen Wachorgane.
    »Ja, sagen Sie, sind Sie vollkommen wahnsinnig?!«, fauchte er den Offizier an, nachdem er halbwegs zu Atem gekommen war.
    Der Mann würdigte ihn keines Blickes. »Bringts mir das Seicherl da weg!«, wies er einige der ihn umstehenden Unteroffiziere an, die sogleich Bronstein unsanft in ihre Mitte nahmen und in Richtung Ring schleiften. Sein Protestgeschrei ging im Lärm und im Chaos unter. Erst etwa 100 Meter vom Platz ihres Kommandanten entfernt warfen dessen Schergen Bronstein auf das Trottoir. Seit Kindheitstagen war er nicht mehr so demütigend behandelt worden, empfand Bronstein. Er rappelte sich auf und setzte den Stadtwächtern nach. Kaum war er an sie herangekommen, drehte sich einer von ihnen blitzschnell um und schlug Bronstein mit dem Lauf seiner Pistole gegen die Schläfe. Bronstein wurde gegen eine Hauswand geschleudert, drehte sich sodann um seine eigene Achse und sank tonlos zu Boden.
    Enervierende Kopfschmerzen waren das Erste, das Bronstein registrierte, als er erwachte. Er benötigte eine gewisse Weile, ehe er seine Umgebung genauer in den Blick nehmen konnte. Über ihm befand sich eine weiße Stuckdecke, ihm gegenüber ein hohes, vergittertes

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