Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser
ja auch nicht seinen geliebten Chummy anvertraut.
»Und was haben Sie alles entdeckt?«
Tom blinzelte im Wechselspiel von Licht und Schatten auf der an sich hellen Auffahrt und sagte: »So was wie eine Blut- spur, Chief, und ein paar dunkle Haare auf dem Boden. In einer hinteren Ecke lag ein Kissen. Wo man es nicht bemerken würde, auch nicht den, der darauf sitzt, wenn man zur Tür hereinkommt. Und einer der jungen Herren hat mir gesagt, eines der Ruder sei beschädigt. Das hätten sie festgestellt, als das Boot heute morgen ins Wasser gelassen wurde.«
»Beschädigt?« Alec runzelte die Stirn. »Erstaunlich. Ein Schlag mit dem Ruderblatt, der an DeLanceys Schädel kaum wahrnehmbare Verletzungen verursacht hat, soll jetzt das Ruder sichtbar beschädigt haben?«
»An der Kante des Blattes war eine Einbuchtung. Mr. Che- ringham meinte, es sei wahrscheinlich heruntergefallen. Das hat Mr. Frieth ganz schön geärgert, der ja der Mannschafts- kapitän ist.«
Ein Ruder auf dem Boden wäre Daisy aufgefallen, auch wenn sie ein Kissen hinten in einer Ecke nicht gesehen haben mochte. Wenn DeLancey im Bootshaus geschlagen worden war, dann mußte das passiert sein, bevor er bei ihr im Schlaf- zimmer gelandet war.
»Hat man das Ruder am Morgen auf dem Boden liegend gefunden?« fragte Alec.
»Nein, es war ordentlich in das Gestell zurückgelegt wor- den, Chief. Könnte sein, daß derjenige, der DeLancey ge- schlagen hat, es vor Schreck fallengelassen hat oder so. Um es dann wieder aufzuheben und wegzulegen. Ich denke mal, es wäre ja auch unnatürlich, wenn ein Ruderer ein Ruder ein- fach so herumliegen lassen würde.«
»Sehr gut beobachtet. Fingerabdrücke vorhanden?«
»Jede Menge. Sieht so aus, als seien die auf den Rudern alle mehr oder minder identisch. Jeder rudert mit jedem Ruder. Dann haben noch die jungen Damen, Miss Cheringham und Miss Carrick, oft tragen geholfen, sagt Mr. Cheringham.«
»Mr. Cheringham scheint Ihnen ja sehr hilfreich gewesen zu sein.«
»Er meinte, er hätte Gastgeberpflichten, nachdem sein On- kel die Biege gemacht hat. Er ist aber nicht Miss Dalrymples Vetter, oder, Chief?«
»Genau. Er ist sozusagen als Bruder von Miss Cheringham aufgewachsen. Und die wiederum ist Miss Dalrymples Cou- sine.« Alec seufzte. Wie Tring und Piper sehr wohl wußten, tendierte Daisy immer dazu, einen oder auch mehrere Tat- verdächtige unter ihre Fittiche zu nehmen. Und wer kam diesmal besser dafür in Frage als Cherry?
»Ach ja, noch was.« Tom dachte einen Augenblick nach. »Er hat mir gesagt, seine Patscherchen seien ganz sicher auf dem beschädigten Ruder, weil er es heute morgen vom Gestell heruntergenommen hat. Bevor irgend jemand ge- merkt hatte, daß es eine Macke hat.«
»Meinen Sie, er wollte damit seine Spuren verwischen? Wenn da so viele Fingerabdrücke drauf sind, dann wird es ohnehin nicht weiterhelfen, wenn wir sie einzeln unter- suchen.«
Der Sergeant war da anderer Meinung. »Manche von denen liegen übereinander. Wenn ich die erst einmal zugeordnet habe, kann ich vielleicht sogar sagen, wer das Ruder zuletzt angefaßt hat, außer Mr. Cheringham. Oder ich kann die aus- schließen, die es nicht in der Hand hatten.«
»Stimmt. Sie sollten sich mal am besten gleich daran ma- chen, wenn wir wieder zurück sind, Tom. Das Bootshaus ist versiegelt?«
»Ich hab mir ein Schloß von Bister geben lassen, dem Gärt- ner und Mädchen für alles. Hier ist der Schlüssel, Chief. An- scheinend machen die sich im Sommer nicht die Mühe, das Haus abzuschließen«, sagte Tom mißbilligend. »Aber haben Sie schon mal gehört, daß einer im Winter ein Boot geklaut hätte?«
Alec mußte lachen. »Nein, allerdings nicht. Sie haben eine Probe von der Blutspur genommen, damit die analysiert wer- den kann?«
»Schon geschehen.«
»Gut gemacht. Einer der Bobbies von hier kann sie in die Stadt zum Labor bringen. Vermutlich haben wir kein Glück mit Fußspuren vor dem Bootshaus? Es ist zu trocken ge- wesen in letzter Zeit, und wenn dasselbe gilt wie bei den Fin- gerabdrücken, dann war einfach jeder da.«
»Kein Glück mit den Fußspuren, Chief, aber der Constable und ich haben jede Menge Schnecken und Ohrwürmer und …«
»Tom!«
»… und Spinnen gefunden«, fuhr Tom unschuldig fort, »und ein altes Entennest und Zigarettenstummel und einen Hering von einem Zelt.«
»Einen Hering?« Warum erschien ihm das so wichtig? »Nicht aus poliertem Holz wie das Ruder, also keine Pat- scherchen. Keine getrockneten Blätter drauf, so daß
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