Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser
ich an- nehmen würde, er lag noch nicht lange da. Aber Heringe be- nutzt man bekanntlich draußen und steckt sie in die Erde; dieser hier ist entsprechend schmutzig und abgenutzt.«
»DeLancey wurde aber nicht mit einem Hering ermordet, Sarge«, bemerkte Ernie Piper von hinten.
»Nein«, stimmte ihm Alec zu, während der Austin in die Auffahrt zum Landsitz der Cheringhams einbog. »Aber ich hab trotzdem das Gefühl, daß der Hering von Bedeutung ist. Bitte nicht verlieren, Tom!«
»Ich und ein Beweisstück verlieren!« Tom war verletzt. »Hören Sie mal, Chief, wann habe ich schon mal Beweismate- rial verbummelt?«
»Wollte mich nur ein bißchen für die Ohrwürmer rächen«, beruhigte ihn Alec. Piper kicherte. »Haben Sie einen Blick in das Schlafzimmer von DeLancey und Fosdyke werfen kön- nen?«
»Nur einen kurzen Blick, für mehr war keine Zeit. Ich hab DeLanceys Patscherchen von seinem Rasierzeug abgenom- men. Alles andere war bestens poliert, richtig auf Hochglanz, auch die Taschenlampe auf dem Treppenabsatz. Die Chering- hams haben für diese Woche, wo das Haus so brechend voll ist, ein paar Mädchen extra eingestellt, und die Haushälterin hält die gut auf Trab.«
»Reden Sie doch mal mit dem Dienstmädchen, das das Zimmer gemacht hat. Falls es da irgend etwas zu sehen gab, dann sind Sie garantiert derjenige, der es von ihr erfährt.«
Alec lächelte, als er sah, wie Tom sich zufrieden über den Schnurrbart fuhr, während er den Austin vorne an der Tür des Hauses zum Stehen brachte. Trotz seines Umfangs und seiner ebenso großen Zuneigung zu seiner Frau hatte der Sergeant eine Art, insbesondere mit weiblichem Personal umzugehen, aber auch mit Dienstboten im allgemeinen, die bei Unter- suchungen sehr hilfreich war. Man mußte ihm gar nicht erst sagen, was er fragen sollte, wenn er die Angestellten vernahm
– und das war einer der Gründe, warum Alec ihn unbedingt hatte hierhaben wollen.
»Aber das hat noch Zeit«, fuhr Alec fort. »Es sieht ja ganz danach aus, als sei das Bootshaus der Ort, an dem das Ver- brechen verübt …«
»Genau wie Miss Dalrymple vermutet hat«, warf Piper von hinten ein.
»Das heißt, daß es Ihre erste Amtshandlung sein wird, Tom, die Fingerabdrücke von allen im Haus zu nehmen und sie mit denen auf dem Ruder zu vergleichen. Und wir beide haben weitere Befragungen vor uns, Ernie. Haben Sie auch genügend Bleistifte gespitzt?«
»Klar doch, Chief«, versicherte ihm der junge Detective Constable.
Obwohl die Tür offenstand und er nach einer nur kurzen Abwesenheit zurückkehrte, klingelte Alec. Er glaubte zwar nicht, daß Lady Cheringham beleidigt wäre, wenn er einfach so hineinträte, aber der Butler wäre es dafür mit Sicherheit – also vielleicht der letzte, der DeLancey gesehen hatte, bevor der eins über den Kopf bekam. Entsprechend war es wichtig, sich gut mit ihm zu stellen.
Gute Zusammenarbeit mit einem Butler war grundsätzlich von großer Wichtigkeit für eine polizeiliche Untersuchung, aber das Zustandekommen einer solchen Kooperation war ein seltener Glücksfall.
Lady Cheringhams Butler war allerdings ziemlich anders als das hochnäsige Individuum, das in Crowswood Anstellung ge- funden hatte. Zuerst einmal war dieser Butler schwarz. Alec war ihm bislang noch nicht begegnet, denn Daisy hatte ihn neu- lich ins Haus begleitet und ihn später zum Telephon in der Bi- bliothek geführt, und ein Dienstmädchen hatte ihm seine Sand- wiches zum Lunch gebracht. Er war einen kurzen Augenblick verwirrt, doch dann fiel ihm wieder ein, daß die Cheringhams lange in Afrika gelebt hatten. So überraschte es nicht, daß sie einen ihrer Dienstboten mit nach England genommen hatten.
Tom hatte den Butler schon kennengelernt. »Das ist Mr. Gladstone, Sir«, stellte er den hochgewachsenen Afrikaner vor. »Habe hier Detective Chief Inspector Fletcher, Mr. Glad- stone, und Detective Constable Piper mitgebracht.«
Gladstone verbeugte sich mit einer dem Ernst des Augen- blicks angemessenen Würde und gleichzeitig mit der Ehrer- bietigkeit, die dem Verlobten der Nichte von Sir Rupert und Lady Cheringham gebührte. Ohne jeden Zweifel war ihm klar, um wen es sich bei Alec handelte. »Wie kann ich Ihnen behilflich sein, Chief Inspector?« fragte er mit einer tiefen, auf freundliche Weise höflichen Stimme, die überhaupt kei- nen Akzent hatte.
»Ich benötige ein Zimmer, in dem ich mit den Gästen des Hauses sprechen kann«, sagte ihm Alec. »Die Bibliothek wäre zum Beispiel hervorragend
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