Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser
Detective wandte sich zu ihr. »Wacht er auf, Miss?« fragte er ängstlich. »Soll ich mich zu Ihnen setzen, um Ihnen zu helfen?«
»Nein, jetzt ist er wieder ganz ruhig«, berichtete Daisy be- dauernd. »Aber das muß doch ein gutes Zeichen sein, finden Sie nicht?«
»Ich vermute, ja, Miss. Der Chief wird sich freuen.«
Sie beobachtete Bott jetzt genau, doch war nichts mehr zu bemerken, keine noch so geringe Bewegung oder gar ein Off- nen der Augen. Als sie einige Minuten später im kleinen Krankenhaus ankamen, fragte sie sich, ob diese so kurzen Le- benszeichen von Bott vielleicht nur Produkt ihres Wunsch- denkens waren. Bott lag immer noch schrecklich schlaff da, als er aus dem Auto gehoben wurde.
»Ich bin mir fast sicher, daß er eben den Kopf bewegt hat«, sagte sie zu Alec. »Ich dachte gerade über etwas anderes nach und hab es daher mehr gespürt als gesehen, aber trotzdem. Und ich habe gehört, wie er aufgestöhnt hat.«
»Hat er dabei die Augen geöffnet?«
»Das ist mir nicht aufgefallen.«
»Ich werd dem Arzt davon erzählen. Klingt vielverspre- chend. Vielen Dank für deine Hilfe beim Transport hierher.«
Diese Worte machten auf Daisy entschieden den Eindruck, als sollte sie gleich verabschiedet werden. »Ich geh mal und hol Miss Hopgood«, sagte sie rasch, damit er keine Chance hätte, ihr mitzuteilen, daß sie im Krankenhaus unerwünscht sei. Sie wollte ohnehin noch nicht hineingehen. Sie hätte nichts zur Be- wältigung der Aufgabe beitragen können, Bott in ein Kranken- hausbett und unter die medizinische Lupe zu bekommen, selbst wenn sie es gewollt hätte. Aber sie wollte es gar nicht. »So viele Talente Bister auch haben mag«, erklärte sie, »als Bote einer solch schlechten Nachricht will ich ihn doch nicht schicken.«
»Nein, das wäre sicherlich ungeschickt. Ich bin mir sicher, daß sie die lieber von dir hören würde. Sag es ihr, aber sei so gut und versuch sie zu überzeugen, nicht ins Krankenhaus zu kommen.«
»Ich werd mal sehen, was sie davon hält«, sagte Daisy ohne große Überzeugung.
»Deiner Tante wäre das doch nicht unangenehm, wenn du Miss Hopgood nach Bulawayo mitnimmst, oder? Dann könntest du ihr Gesellschaft leisten, und sie wäre in der Nähe eines Telephons, falls es irgendwelche Nachrichten gibt.«
»Ich bin überzeugt, daß Tante Cynthia nichts dagegen hätte. Aber ich glaube, Miss Hopgood wird bei Bott sein wol- len. Sie hat ihn wirklich sehr gerne.«
Alec runzelte die Stirn. »Ich könnte ihr – und vielleicht sollte ich das auch – das Zimmer verbieten lassen.«
»So gemein kannst du doch nicht sein! Er ist schließlich das Opfer, nicht der Übeltäter. Außerdem ist er in ihrer Gegen- wart ein ganz und gar anderer Mensch, überhaupt nicht mehr so kampfeswillig. In ihrer Nähe muß er sich eben nicht ver- teidigen. Sie ist sehr vernünftig. Und es könnte durchaus sein, daß sie ihn zum Reden bringt, wenn er wieder aufwacht.«
»Wenn er Schwierigkeiten macht, kann ich ja immer noch nach ihr schicken lassen«, sagte Alec.
»Ich werd mal sehen, was sie davon hält«, wiederholte Daisy und stieg in den Humber.
Sie wußte, daß sie keine Chance hatte, beim Gespräch mit Lord DeLancey zugegen zu sein. Egal, ob Susan Hopgood es vorzog, an Botts Krankenlager zu eilen oder nicht, Daisy würde jedenfalls in ihrer Nähe bleiben.
»Victoria Road, Bister«, sagte sie dem Chauffeur mit den so vielfältigen Aufgaben.
In allen Fenstern dieser Straße wurden Vorhänge diskret beiseite geschoben, als der Humber vor der Unterkunft von Miss Hopgood anhielt. Daisy war sich der vielen Augen be- wußt, und obwohl sie nicht soweit ging, Bister zur Haustür zum Anklopfen zu schicken, bevor sie ausstieg, wartete sie doch, daß er um den Wagen herum kam und den Schlag für sie aufriß. Sollte doch die freundliche Vermieterin von Miss Hopgood die Ankunft eines Automobils mit Chauffeur vor ihrem kleinen Häuschen so weit wie möglich auskosten.
Bevor Daisy selbst anklopfen konnte, wurde die Haustür schon geöffnet und Susan Hopgood erschien auf der Schwelle. Auf ihrem hübschen Gesicht lag Sorge.
»Miss Dalrymple! Was ist denn?« Sie sah das offene Fen- ster im Nachbarhaus und senkte die Stimme. »Hat Horace sich in Schwierigkeiten gebracht? Er hat doch nichts ange- stellt, oder? Dieser Detective, der ihn gestern abgeholt hat, wollte ja auch nichts sagen.«
»Er ist nicht festgenommen worden oder dergleichen«, ver- sicherte ihr Daisy. »Aber ich fürchte doch, daß ich eine schlechte
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