Miss Daisy Und Der Tote Auf Dem Wasser
Überzeugung kund. »Die sind durchaus in der Lage, aus der Tragödie eines anderen Profit schlagen zu wollen. Außerdem halten sie die Polizei für eine Art natürlichen Feind.«
Alec machte sich gar nicht erst die Mühe, Seine Lordschaft darüber zu informieren, daß im allgemeinen die kleinen Ge- schäftsleute der Polizei am meisten halfen und die größte Ko- operationsbereitschaft zeigten. »Haben Sie Bott nie verdäch- tigt, Ihren Bruder angegriffen zu haben?« fragte er.
»Natürlich hab ich das! Er hat Basil bedroht, das wissen Sie doch selbst. Die anderen Ruderer von Ambrose sind auch von seiner Schuld überzeugt.«
»Und Sie haben es sich nicht noch einmal überlegt, sich an einem so isolierten Ort mit ihm zu treffen?«
»Ich konnte mir keinen Grund vorstellen, warum er mir Böses tun wollte. Aber ich habe mich geschützt und hab eine Pistole mitgenommen. Leider hab ich keinen Waffenschein dafür, fürchte ich, Chief Inspector«, gab er mit einem schwa- chen Grinsen von Mann zu Mann zu. »Eine ›Bolo‹ von Mau- ser, ein Erinnerungsstück aus dem Großen Krieg. Es tut mir leid, daß ich sie mitgenommen habe, aber andererseits glaube ich nicht, daß die Dinge anders verlaufen wären. Wer sich um- bringen will, wird das auch schaffen.«
Selbstmord! Alec verbarg mit Mühe seine Überraschung. Bei ihrem Gespräch gestern hatte Bott doch überhaupt nicht suizidal gewirkt. Hatte der Abend im Kreise derer, die ihn für einen Mörder hielten, ihn dazu getrieben, seinem Leben ein Ende bereiten zu wollen?
»Ich glaube, Sie sollten mir mal ganz genau erzählen, was sich auf Temple Island abgespielt hat, Sir.«
»Selbstverständlich. Bott hatte sich mit mir treffen wollen, um sich für den Mord an Basil zu entschuldigen – der sei aus Versehen passiert, wie er behauptete. Er wußte, daß man ihn bald der Tat überführen würde, und hatte beschlossen, sich lieber umzubringen, als ein Gerichtsverfahren über sich er- gehen zu lassen, ins Gefängnis zu kommen oder gar die Todesstrafe zu erleiden. Sein Leben war ohnehin ziemlich ver- korkst. Was versucht er auch, sich über seinen Stand zu erhe- ben. Er meinte, er wollte sich ertränken, aber als er die Mauser in meiner Hand sah, fand er einen Tod durch Erschießen wohl leichter. Er hat mir die Pistole entrissen, sich in den Kopf ge- schossen und ist dann in den Fluß gefallen.«
»Es waren aber zwei Schüsse, Lord DeLancey.«
»Ach so, der eine Schuß ging in die Luft, als er nach der Pi- stole griff. Ich befürchtete, daß er sich vielleicht doch lieber des Zeugen seines Geständnisses entledigen wollte, und hatte deswegen schon den Finger am Abzug. Dadurch löste sich ein Schuß, als er mir die Waffe aus der Hand riß. Aber das war nicht der Schuß, der ihn umgebracht hat. Die Pistole war in seinen Händen, als er sie sich an die Schläfe setze.«
Es würde Seine Lordschaft ganz schön verärgern, wenn er mitbekam, daß er sich in bezug auf Botts Zustand geirrt hatte. Alec hatte es aber nicht eilig, ihn aufzuklären. »Verstehe«, sagte er. »Sie haben natürlich versucht, ihn davon abzuhal- ten.«
»Selbstverständlich. Während er mit der Pistole vor mir zurückwich, bin ich auf ihn zugesprungen. Ich fürchte, des- wegen ist er dann in den Fluß gefallen.«
»Und dabei hat er Ihre Mauser mit in die Fluten genom- men?«
»Ja. Nein!« DeLancey blickte ihn verwirrt an und wurde ganz rot. »Verzeihen Sie, Chief Inspector, es war eine schreck- liche Erfahrung, und ich denke nicht gerne daran zurück. Also, nein, er hat die Pistole sofort nach dem Schuß fallen las- sen, während er rückwärts in den Fluß gestolpert ist.«
»Er hat sie fallen lassen? Sind Sie sich dessen sicher?«
»Er hat sie fallen lassen. Losgelassen. Sie fiel aus seiner Hand«, sagte Seine Lordschaft nervös.
»Merkwürdig. Die Pistole haben wir an einem Ort gefun- den, an dem Bott eigentlich in ein Boot hätte fallen müssen, nicht ins Wasser.«
»Ach so. Ja. Das kann ich erklären. Ich hatte Ihnen ja ge- sagt, daß ich diese ganze Angelegenheit am liebsten verges- sen würde. Verstehen Sie, ich hab die Pistole aufgehoben, ohne darüber nachzudenken. Ich stand völlig neben mir. Kaum hatte ich begriffen, was ich da tat, warf ich die Waffe von mir. Ich wollte nichts damit zu tun haben! Sie haben sie also gefunden?« DeLancey unternahm einen halbherzigen Versuch, empört zu wirken. »Sie hatten eben den Eindruck er- weckt, Sie würden glauben, die Pistole sei in den Fluß gefal- len.«
»Tut mir
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