Miss Emergency Bd. 3 - Liebe auf Rezept
Gallensteine raus.«
In meinem Kopf geht ein sensibler Oberarzt mit mir von Zimmer zu Zimmer, begrüßt die Patienten, fragt nach ihrem Befinden und stellt mich höflich vor. Wie nennt er mich jetzt in Gedanken? Immer noch Fräulein Weissenbach? Oder längst Lena?
Dr. Thiersch erklärt den Patienten recht knapp, dass sie uns später kennenlernen werden. »Mit Dr. Gode, den Sie doch im Grunde lieber sehen als mich, oder?« Und schon ist sie weitermarschiert und wir folgen ihr als brave, perplexe Schlange in den OP-Bereich. Dr. Thiersch bleibt im Vorraum stehen und zeigt uns die Tafel, auf der die kommenden OPs angeschrieben sind. »Es gibt zwei Regeln«, sagt sie und hat noch nicht einem von uns länger als eine Sekunde in die Augen gesehen. »Erstens: Sie operieren niemals alleine, sie assistieren nur. Zweitens: Wenn Sie unseren Ansprüchen nicht genügen, operieren Sie gar nicht.«
Na danke. Schon rutscht mir das Herz in die Kitteltasche, gleich hüpft es auf den Fußboden und bleibt dort als zitterndes Klümpchen liegen, das Dr. Thiersch mit der Spitze ihres schicken weißen Schuhs in eine Ecke schnipsen wird. Diese Frau wird keine Fehler dulden und keine Emotionen, das ist nach fünf Minuten in ihrer Anwesenheit sonnenklar. Vielleicht muss man so sein als Chirurgin. Und Dr. Thalheim, Tobias, hat mich doch gewarnt, dass auf dieser Station ein rauer Wind weht … In seinem Büro am Freitag, kurz bevor er mich geküsst hat. Schon wieder nimmt das Gedankenkarussell schwindelnde Fahrt auf. Sehnt ersich auch nach mir? Geht er jetzt gerade drüben über seine Station und vermisst mich? Ist er heute freundlich und nachsichtig zu seinen neuen PJlern, weil er sich an mich erinnert – und an die Peinlichkeiten meines ersten Tages bei ihm? Oder begrüßt er sie nur knapp und distanziert, weil ICH nicht dabei bin? Quatsch, er ist doch immer professionell! Verliebt sich eine der neuen PJlerinnen in ihn? Bestellt er die auch in sein Büro? Und sagt er ihr dann, dass sie die Albernheiten lassen soll? Weil er schon vergeben ist? Überhaupt: An all die anderen habe ich noch gar keinen Gedanken verschwendet – Ärzte, Schwestern, Mit-PJler … Werden sie alle erfahren, was passiert ist? Eigentlich wäre es mir recht. Aber ihm gefällt es sicher nicht, die Distanz zwischen Arbeit und Privatem zu verlieren. Also wird das ein Romeo-und-Julia-Geheimnis? Kann man das fragen? Wenn man nicht mal weiß, ob man ihn jetzt beim Vornamen nennen darf?
»Ich weiß nicht, wovon Sie träumen, aber das machen Sie bei mir nur ein einziges Mal!«
Oh, verdammt. Verlegen sehe ich zu Dr. Thiersch auf, sie schaut schon wieder weg und geht ohne ein weiteres Wort an mich zur Erklärung der Instrumenten-Sterilisation über. Eine Entschuldigung will sie wohl nicht hören. Mann, Lena, das sollte dir doch nicht mehr passieren! Du wolltest alle Sinne konzentriert ausschließlich auf die Arbeit richten – und hier stehst du und beginnst den ersten Tag auf der neuen Station mit einem Oberarztanpfiff wegen Träumerei.
Jenny beugt sich zu mir, grinst und flüstert: »Wenn du wirklich was mit Thalheim hast, kann dir die doch egal sein.« Typisch Jenny. Dass sie denkt, man muss nur einen Oberarzt auf seiner Seite haben, um sich benehmen zu können, wie man will – und dass sie mir immer noch nicht wirklich glaubt.
Endlich ist die Einführung überstanden; Dr. Thiersch hat sich mit knappem Lächeln verabschiedet und mit schnellem Stakkato-Schuhklappern entfernt. Dr. Gode grinst uns an und sagt: »Sie gewöhnen sich an sie, im Grunde ist sie herzensgut.« Dann entlässt er uns bis zur Visite in die Mittagspause.
Auf dem Weg zur Cafeteria ist das Urteil über Dr. Thiersch schnell gefällt. »Knallhart. Sicher Dauersingle«, sagt Jenny und Isa lächelt: »Ich hab trotzdem jetzt schon Angst.« Die Auswertung des neuen Stationsarztes dauert etwas länger. »Mit dem würde ICH knutschen!«, grinst Jenny. Und schwupps habe ich Gelegenheit, auf mein Lieblingsthema zurückzukommen. Denn jetzt steht das schmerzlich herbeigewünschte Wiedersehen unmittelbar bevor. Und ich habe immer noch nicht entschieden, wie ich mich verhalten soll.
»Überlass ihm den ersten Schritt«, rät Isa. »Dann kannst du auf jeden Fall nichts falsch machen.«
»Wenn er dich jetzt vor allen küsst, rasiere ich mir morgen eine Glatze!«, ist Jennys Kommentar. Tja, dann kann ich auf ihre Prachtmähne leider keine Rücksicht nehmen: Ich hoffe nichts mehr, als dass er genau das
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