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Miss Lily verliert ihr Herz

Miss Lily verliert ihr Herz

Titel: Miss Lily verliert ihr Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DEB MARLOWE
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Problem ist eher, dass ich nicht recht weiß, was ich tun kann, damit meine Träume in Erfüllung gehen.“
    Jack runzelte die Stirn. Eine absurdere Unterhaltung als die, die er gerade führte, konnte man sich kaum vorstellen. Und doch …
    „Ich bin sicher, auch Sie kennen Ihre Wünsche ganz genau. Und vielleicht gehören Sie sogar zu den Glücklichen, die wissen, wohin sie sich wenden müssen, um ihr Glück zu finden.“
    Ohne sein Glas zu leeren, sprang Jack auf.
    „Wo wollen Sie hin?“, fragte der Fremde.
    „Nach Weymouth, ans Ziel meiner Wünsche“, gab Jack zurück und eilte aus dem Raum.
    Es regnete noch immer, doch Jack nahm die Nässe, die seine Kleidung durchdrang, kaum wahr. Zu Fuß hatte er sich auf den Heimweg zu seinem Junggesellenquartier gemacht. Dabei spürte er genau, dass er auch dort keine Ruhe finden würde. Sein Herz war in Weymouth bei Lily geblieben. Bei ihr war sein Zuhause. Warum, zum Teufel, hielt er sich noch immer in London auf, statt zu der Frau zu eilen, die er liebte?
    Eine Antwort auf diese Frage fand er nicht.
    Er würde sie auch daheim in seinen Büchern nicht finden. Ebenso wenig wie in der großen Bibliothek der Society for Antiquaries, vor der er sich plötzlich wiederfand. Wie, um Himmels willen, war er hier hingekommen? Er konnte sich nicht erinnern, den Weg zur Gesellschaft der Altertumsforscher eingeschlagen zu haben.
    Bin ich dabei, den Verstand zu verlieren, fragte er sich besorgt.
    Früher war er oft hier gewesen. In den Räumen der Gesellschaft hatte er Gleichgesinnte getroffen, mit denen er fachsimpeln konnte. Über wissenschaftlichen Diskussionen hatte er die ständigen Kränkungen, die sein Vater ihm zufügte, vergessen. Manchmal war er beinahe glücklich gewesen.
    Vielleicht hätte er sich für den Rest seines Lebens mit diesem kleinen Glück zufriedengegeben – wenn da nicht Lily gewesen wäre, die ihm gezeigt hatte, dass die Mauern, die er um sich herum errichtet hatte, keineswegs unüberwindlich waren. Lily, mit der er so wundervolle Stunden erlebt hatte, dass er noch immer manchmal glaubte, alles nur geträumt zu haben.
    Die Sehnsucht nach ihr überkam ihn mit solcher Macht, dass ihm die Tränen in die Augen stiegen. Er schluckte, zwinkerte sie fort und kämpfte das unerwünschte Gefühl nieder. Doch das Wissen darum, dass er Lily liebte und im Begriff war, sie durch eigene Schuld für immer zu verlieren, ließ sich nicht einfach fortschieben.
    Wie wichtig ist es wirklich, dass ich persönlich dafür kämpfe, Batiste hinter Gitter zu bringen?, fragte sich Jack. Gab es wirklich niemanden, der besser geeignet war, diese Aufgabe zu erfüllen? Hatte er sich womöglich eingeredet, diese Arbeit selbst erledigen zu müssen, weil er schon wieder dabei war, neue Mauern zu errichten?
    Jack atmete ein paar Mal tief durch. Er fühlte sich schwach, verletzlich. Ja, er hatte Angst. Aber so sehr er sich auch gegen die Erkenntnis sträubte: Wenn er die Dämonen der Vergangenheit überwinden und mit gutem Gewissen in die Zukunft schauen wollte, dann musste er den Schritt wagen, vor dem er bisher zurückgeschreckt war. Er musste sich dem Leben öffnen. Er musste zu seinen Gefühlen stehen. Er musste sich zu seiner Liebe bekennen.
    Er musste zu Lily zurückkehren und alles in seiner Macht Stehende tun, um sie glücklich zu machen.

16. KAPITEL

    Vor dem Haus der Bartleighs verabschiedete Lily sich von Anele. Sie war froh darüber, dass die junge Frau und der alte Herr so rasch Freundschaft geschlossen hatten. Vermutlich fühlten die beiden sich verbunden durch das Leid, das sie hatten erfahren müssen.
    Zunächst war Anele sehr unglücklich darüber gewesen, dass Matthew sie allein zurückgelassen hatte. Sicher, die Dienstboten behandelten sie freundlich, und mit Lily verstand sie sich von Anfang an gut. Doch die Nachbarn, die Pächter und die Händler in Weymouth betrachteten sie entweder mit Misstrauen oder mit unverhohlener Abneigung. Für viele war sie vermutlich die erste Farbige, die sie überhaupt zu Gesicht bekamen.
    Allzu große Sorgen machte Lily sich deswegen nicht. Sie hatte beobachtet, wie wohl Anele sich fühlte, wenn sie Musik hörte oder selbst singen konnte. Und da auch Mr. Bartleigh ein großer Musikliebhaber war, hatten die zwei ansonsten so unterschiedlichen Menschen einander viel zu geben.
    Jetzt, als sie zurück zu ihrem Einspänner ging, hörte Lily, wie der alte Herr die ersten Töne auf dem Klavier anschlug. Sie lächelte. In aller Ruhe würde sie nun

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