Miss Marples letzte Fälle
betuchte Ehepartner gewesen war und dass ihr Vermögen laut Testament, das kurz nach der Eheschließung gemacht worden war, ihrem Mann zufallen sollte, vertiefte sich der Verdacht der Pol i zei weiter.
Miss Marple, die alte Jungfer mit dem lieben Gesicht – und der, wie einige Leute behaupten, bösen Zunge –, die in dem Haus neben dem Pfarrhaus wohnte, wurde sehr früh schon vernommen – innerhalb einer halben Stunde nach Entdeckung des Verbrechens. Sie wurde von Constable Palk aufgesucht, der mit amtlicher Miene in einem Notizbuch blätterte.
»Wenn Sie nichts dagegen haben, Madam, ich hätte da ein paar Fragen an Sie.«
»In Zusammenhang mit der Ermordung von Mrs Spe n low?«, fragte Miss Marple.
Palk war verdutzt. »Darf ich fragen, Madam, wie Ihnen das zu Ohren gekommen ist?«
»Der Fisch«, antwortete Miss Marple.
Diese Erwiderung war Palk durchaus verständlich. Er vermutete ganz richtig, dass der Lieferbursche des Fisc h händlers Miss Marple die Neuigkeit zusammen mit ihrem Abendessen überbracht hatte.
»Sie lag im Wohnzimmer auf dem Boden«, fuhr Miss Marple freundlich fort. »Erdrosselt – möglicherweise mit einem sehr schmalen Gürtel. Aber was es auch gewesen ist, es lag nicht mehr am Tatort.«
Palks Miene war zornig. »Wie dieser Fred nur immer gleich alles weiß, was – «
Miss Marple bremste geschickt den einsetzenden Red e strom. Sie sagte: »Sie haben eine Nadel in Ihrer Unifor m jacke stecken.«
Verblüfft sah Palk an sich hinunter. »Nun«, versetzte er, »es heißt ja, ›Nadel, die am Boden lag, bringt dir Glück den ganzen Tag‹.«
»Ich hoffe, das wird sich bewahrheiten. Also, was soll ich Ihnen für Auskünfte geben?«
Palk räusperte sich, machte ein wichtigtuerisches G e sicht und steckte die Nase in sein Notizbuch.
»Mr Arthur Spenlow, der Ehegatte der Toten, machte vor mir folgende Aussage: Mr Spenlow erklärt, dass er um vierzehn Uhr dreißig von Miss Marple angerufen wurde, die ihn bat, um fünfzehn Uhr fünfzehn zu ihr zu kommen, da sie ihn dringend um einen Rat bitten wollte. Ist das richtig, Madam?«
»Ganz und gar nicht«, erwiderte Miss Marple.
»Sie haben Mr Spenlow nicht um vierzehn Uhr dreißig angerufen?«
»Weder um vierzehn Uhr dreißig noch zu einer anderen Zeit.«
»Aha«, sagte Constable Palk und lutschte mit erhebl i cher Befriedigung an seinem Schnurrbart.
»Was hat Mr Spenlow sonst noch gesagt?«
»Mr Spenlow erklärte, er wäre wie gewünscht hierher gekommen. Er hätte sein eigenes Haus um fünfzehn Uhr zehn verlassen. Bei seiner Ankunft hier hätte ihm das Mädchen mitgeteilt, Miss Marple wäre nicht zuhause.«
»Das stimmt«, stellte Miss Marple fest. »Er war tatsäc h lich hier, aber ich war bei einer Besprechung im Fraue n verein.«
»Aha«, sagte Palk wieder.
Miss Marple rief: »Sagen Sie, verdächtigen Sie etwa Mr Spenlow?«
»Das kann ich in diesem Stadium nicht sagen, aber mir scheint, dass da jemand – ich will keine Namen nennen – ganz raffiniert sein wollte.«
»Mr Spenlow?«, meinte Miss Marple nachdenklich. Sie mochte Mr Spenlow. Er war ein kleiner, schmächtiger Mann, steif und konventionell in seinem Gebaren, der Inbegriff der Ehrbarkeit. Es schien merkwürdig, dass er aufs Land gezogen war, wo er doch so offensichtlich sein Leben lang in Städten gelebt hatte. Miss Marple hatte er den Grund anvertraut. Er sagte: »Schon als Junge hatte ich die feste Absicht, eines Tages aufs Land zu ziehen und meinen eigenen Garten zu haben. Ich habe Blumen immer geliebt. Meine Frau, wissen Sie, hatte ein Blume n geschäft. Dort bin ich ihr zum ersten Mal begegnet.« Eine nüchterne Erklärung, doch sie zauberte eine Vorstellung von Romantik. Eine jüngere, hübschere Mrs Spenlow vor einem Hintergrund von Blumen.
Die verstorbene Mrs Spenlow hatte als junges Mädchen zunächst als Zimmermädchen in einem großen Haus gearbeitet. Diesen Posten hatte sie aufgegeben, um den Gärtnergehilfen zu heiraten, und mit ihm zusammen ha t te sie in London ein Blumengeschäft aufgemacht. Das Geschäft blühte; nicht so der Gärtner, der binnen Ku r zem dahinwelkte und starb.
Die Witwe führte das Geschäft weiter und vergrößerte es in anspruchsvollem Rahmen. Es florierte. Dann ve r kaufte sie den Laden zu einem stattlichen Preis und schiffte sich zum zweiten Mal im Hafen der Ehe ein – mit Mr Spenlow, einem Juwelier mittleren Alters, der ein kleines Geschäft geerbt hatte, das er mühsam über Wa s ser hielt. Nicht lange danach verkauften
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