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Miss Marples letzte Fälle

Miss Marples letzte Fälle

Titel: Miss Marples letzte Fälle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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gehandarbeitet wurden! Es war pei n lich für den jungen Mann. – Also, wo war ich? Ach ja, bei diesem jungen Mann, Ted Gerard. Natürlich wurde über ihn getuschelt. Er hat sie ja so häufig besucht. Mrs Spe n low hat mir allerdings selbst erzählt, dass er dieser so g e nannten Oxford Group angehört. Eine religiöse Sekte. Diese Leute sind durchaus aufrichtig, glaube ich, und Mrs Spenlow war sehr beeindruckt von der Sache.«
    Miss Marple holte Atem und fuhr fort: »Und ich bin s i cher, es gibt keinen Anlass zu vermuten, dass da mehr dahintersteckte, aber Sie wissen ja, wie die Leute sind. Eine ganze Menge Leute sind überzeugt davon, dass Mrs Spenlow in den jungen Mann vernarrt war und dass sie ihm viel Geld geliehen hatte. Und es stimmt wirklich, dass er an dem fraglichen Tag am Bahnhof gesehen wu r de. Im Zug – dem Zug, der um vierzehn Uhr siebenun d zwanzig aus London kommt. Aber es wäre doch ein Ki n derspiel für ihn gewesen, auf der anderen Seite aus dem Zug zu springen und drüben über die Gleise zu laufen und über den Zaun zu springen. Er hätte nur an der H e cke entlangzulaufen brauchen und hätte auf diese Weise den Bahnhofseingang meiden können. Kein Mensch hä t te ihn dann auf dem Weg zum Häuschen von Mrs Spe n low gesehen. Und die Leute zerreißen sich natürlich die Mäuler darüber, wie Mrs Spenlow angezogen war.«
    »Wie sie angezogen war?«
    »Ja. Sie trug einen Morgenrock. Kein Kleid.« Miss Marple errötete. »Es gibt sicher Leute, wissen Sie, die der Meinung sind, so etwas ließe tief blicken.«
    »Finden Sie auch, dass es tief blicken lässt?«
    »Aber nein! Ich nicht. Ich bin der Meinung, es war vö l lig natürlich.«
    »Sie finden, es war natürlich?«
    »Unten den Umständen, ja.« Miss Marples Blick war kühl und nachdenklich.
    »Das liefert uns vielleicht ein weiteres Motiv für den Ehemann«, sagte Inspektor Slack. »Eifersucht.«
    »Aber nein, Mr Spenlow hat überhaupt keine Neigung zur Eifersucht. Er ist kein misstrauischer Mensch. Wenn seine Frau ihn verlassen und auf dem Nadelkissen ein Briefchen hinterlassen hätte, so wäre er vor Überr a schung aus allen Wolken gefallen.«
    Der gespannte Blick, mit dem sie ihn ansah, verwirrte Inspektor Slack. Er hatte das Gefühl, dass hinter ihrem ganzen Gerede die Absicht steckte, ihm einen Hinweis zu geben, den er nicht verstand.
    Jetzt fragte sie mit einigem Nachdruck: »Haben Sie denn keine Anhaltspunkte gefunden, Inspektor – am Tatort, meine ich?«
    »Heutzutage hinterlassen die Täter keine Fingerabdr ü cke und Zigarettenstummel mehr, Miss Marple.«
    »Aber hier, glaube ich, handelt es sich um ein altmod i sches Verbrechen«, meinte sie.
    »Was wollen Sie damit sagen?«, fragte er scharf.
    »Wissen Sie«, gab Miss Marple bedächtig zurück, »ich glaube, Constable Palk könnte Ihnen weiterhelfen. Er war der Erste am Tatort.«
     
    Mr Spenlow saß in einem Liegestuhl. Sein Gesicht zeigte ratlose Verwirrung. Mit seiner dünnen, pedantischen Stimme sagte er: »Es ist natürlich möglich, dass ich es mir nur eingebildet habe. Mein Gehör ist nicht mehr das, was es einmal war. Aber ich glaube, deutlich gehört zu haben, wie ein kleiner Junge hinter mir herrief: ›Na, wo steckt Dr. Crippen?‹ Es – es vermittelte mir den Eindruck, dass er meinte, ich – ich hätte meine Frau getötet.«
    Miss Marple erwiderte: »Das war zweifellos der Ei n druck, den er vermitteln wollte.«
    »Aber wie kann der Junge auf einen so hässlichen G e danken gekommen sein?«
    Miss Marple hüstelte. »Er hat wahrscheinlich das Ger e de der Erwachsenen gehört.«
    »Sie – Sie meinen wirklich, dass andere Leute das auch glauben?«
    »Bestimmt die Hälfte der Einwohner von St. Mary Mead.«
    »Aber – meine liebe Miss Marple – was kann die Leute auf einen solchen Gedanken gebracht haben? Ich war meiner Frau aufrichtig zugetan. Zwar konnte sie sich für das Landleben leider nicht in dem Maße erwärmen, wie ich gehofft hatte, aber vollkommene Übereinstimmung in jedem Bereich ist ein Ding der Unmöglichkeit. Glauben Sie mir, ihr Verlust ist mir sehr schmerzhaft.«
    »Wahrscheinlich. Aber, verzeihen Sie mir, wenn ich es offen sage, Sie machen nicht den Eindruck.«
    Mr Spenlow richtete seine schmächtige Gestalt zu ihrer vollen Höhe auf.
    »Meine liebe Miss Marple, vor vielen Jahren las ich von einem chinesischen Philosophen, der, als ihm der Tod seine innig geliebte Gattin von der Seite riss, weiterhin mit aller Gelassenheit auf der Straße einen

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