Miss Pettigrews grosser Tag
geblieben.
»Da wären wir«, sagte Miss Dubarry mit schwacher Stimme.
Miss Pettigrew starrte sie an. Miss Dubarrys ganze forsche Fröhlichkeit war verschwunden. Sie wirkte schlaff wie ein Putzlumpen, zusammengesunken, nervös, ängstlicher als Miss Pettigrew selbst, deren eigene Nervosität bei diesem überraschenden Anblick schlagartig wieder verflog.
»Kopf hoch, Edythe«, flehte Miss LaFosse. »Lass ihn ja nichts merken. Es wird schon alles gut. Es muss ihr einfach etwas einfallen.«
Beide wandten sich zu Miss Pettigrew.
»Sie denken doch an Tony«, sagte Miss LaFosse dringlich.
»Ich zeige ihn Ihnen beim Reingehen, falls er da ist«, sagte Miss Dubarry mit gleicher Dringlichkeit.
»Wie liebenswürdig«, dachte Miss Pettigrew gerührt. »Sie ist so freundlich und will mich ihrem verflossenen jungen Galan vorstellen, obwohl sie Streit miteinander hatten.«
»Ich lasse mich dem jungen Mann mit Freuden vorstellen. Vielen Dank«, sagte Miss Pettigrew ernst.
»Na bitte«, sagte Miss LaFosse. »Was habe ich dir gesagt? Ihr schwebt schon etwas vor.«
»Bitte …«, setzte Miss Dubarry an.
»Keine Anweisungen«, erinnerte Miss LaFosse sie. »Das bringt die Leute nur unnötig durcheinander. Lass sie selbst machen. Das ist bei Weitem die beste Methode.«
»Sie denken daran, ja?«, versuchte Miss Dubarry es ein letztes, verzweifeltes Mal.
Miss Pettigrew hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon sie sprachen, doch da die zwei so viel krauses Zeug redeten, auf das sie sich keinen Reim machen konnte, dachte sie nicht weiter darüber nach und kam auch nicht zum Nachfragen, denn im nächsten Moment öffnete Miss LaFosse die Tür, und schon stand sie blinzelnd in einem blendend hell erleuchteten Raum voller Menschen beiderlei Geschlechts, die ohrenbetäubend durcheinanderplärrten. Ganz hinten in dem, was wohl eher ein Saal war, erspähte sie so etwas wie eine Bar mit einer Menge Flaschen dahinter. Sie kam kaum dazu, sich ein genaueres Bild von den Räumlichkeiten zu machen, weil die Ankunft der drei allgemeine Aufregung hervorrief und sie sogleich von einer Menschentraube umgeben waren. Offensichtlich erfreuten sich Miss LaFosse und Miss Dubarry großer Beliebtheit.
»Delysia.«
»Edythe.«
Miss LaFosse strahlte. Mit Miss Dubarry ging eine erstaunliche Verwandlung vor. Sie lächelte, unterhielt sich angeregt, machte Scherze. Kein Anzeichen von Niedergeschlagenheit oder Unglück. Miss LaFosse hielt Miss Pettigrew fest im Griff und lotste sie durch den Raum. Miss Pettigrew wechselte höfliche Worte mit – ihrem Gefühl nach – sicherlich hundert Gästen. Niemand starrte sie befremdet
an. Niemand lachte sie aus. Keine Gastgeberin hieß sie eisig willkommen. Und dabei wusste sie nicht einmal mit Sicherheit, wer denn nun die Gastgeberin war. Vielleicht die traumhafte Erscheinung in dem leuchtend scharlachroten Kleid, die hauchte: »Delysia, Schätzchen, wie lieb, dass du gekommen bist«? Oder doch die Dame in dem durchsichtigen grünen Gewand, von der zu hören war: »Delysia, mein Schnuckelchen, ist das schön, dich zu sehen«?
Unversehens hatte sie einen Drink in der Hand, verabreicht von einem charmanten jungen Mann mit dunklem, gewelltem Haar, einschmeichelnder Stimme und dämonisch glitzernden Augen, doch Miss LaFosse schüttelte alarmiert den Kopf.
»Lieber nicht«, wisperte sie. »Ich meine, nicht den Drink da. Den hat Terence selbst erfunden. Ich hole Ihnen gern einen anderen, bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Guinevere, aber so viel ich weiß, sind Sie nichts Starkes gewöhnt, und, na ja, da ist doch noch Tony, und das da ist wirklich sehr, sehr stark.«
»Ganz wie Sie meinen, meine Liebe«, sagte Miss Pettigrew nervös. »Ich würde nicht im Traum daran denken, Ihre Ratschläge zu missachten.«
Miss LaFosse brachte ihr einen anderen Drink.
»Wie ist es«, sagte sie in einer kleinen Verschnaufpause, »würden Sie sich gern irgendwo hinsetzen, und wenn ja, wo? Sie müssen sich Ihre Kräfte für heute Abend aufsparen.«
»Ich glaube«, sagte Miss Pettigrew, »ich stelle mich einfach da drüben hin, wo ich mich im Spiegel sehen kann. Bitte denken Sie nicht, dass hinter diesem Wunsch die reine Eitelkeit steht, auch wenn er nicht ganz frei davon ist, ich gebe es zu. Ich bin noch nicht an mich gewöhnt, und wenn ich hin und wieder quer durch den Saal einen
Blick auf mich werfen kann, bloß um sicherzugehen, wie ich nicht aussehe, dann werde ich daraus ein ungeahntes Maß an Kraft und Mut
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