Miss Pettigrews grosser Tag
Dame?«
»Meine Liebe, du kennst sie doch sicher.«
»Wen?«
»Miss Pettigrew.«
»Oh … ah … Miss Pettigrew.«
»Zukünftiger Star.«
»Oh … äh. Wenn ich’s mir genau überlege, ich glaube, ich habe was in der Zeitung darüber gelesen.«
»Nie gesehen, wie sie Mrs. Brummegan nachmacht?«
»Mrs. Brummegan?«
(Herablassend) »Aber ja doch. Du hast doch sicher schon von Mrs. Brummegan gehört?«
»Oh … äh. Ja. Natürlich. Sie macht also Mrs. Brummegan nach?«
»War der Renner in sämtlichen Provinzen, wie ich gehört habe.«
»Oh.« (Kühler) »In den Provinzen!«
»Und jetzt«, (kühn) »kommt London dran.«
»London?«
»Todsicher. Hinter ihr steht Phil Goldberg. Sie wird der Comedy-Star in seiner neuen Revue. Teilt sich die Ehre mit Delysia LaFosse.«
»Ach, jetzt wo du es sagst, ich glaube, ich habe davon gehört«, sagte die jugendliche Hauptdarstellerin.
»Man kann nie wissen. Heute ein Niemand. Morgen die Königin von London.«
»Oh ja. Werde wohl mal ein Wort mit ihr wechseln.«
Miss Pettigrew empfing sie alle. Ihre Augen glänzten, ihr Gesicht strahlte, ihre Frisur lockerte sich – doch auf sehr kunstvolle Weise, ohne dass Miss Dubarrys Wellen Schaden nahmen. Ihre Ohrringe glitzerten aufs Eleganteste, ihre Wangen erglühten nunmehr in einem natürlichen Rot, ihr Busen bebte ob all der Aufregung.
Miss LaFosse legte die Hand auf ihren Arm. Miss Pettigrew wandte sich von ihrem neuesten Bewunderer fort.
»Das ist Tony«, wisperte Miss LaFosse.
Miss Pettigrew beäugte ihn: ein mittelgroßer junger Mann mit braunem Strubbelhaar, glühenden Augen und einem markanten Gesicht, das etwas Eigensinniges an sich hatte.
»Oh!«, dachte Miss Pettigrew erleichtert. »Ein nettes Gesicht. Ich hatte einen … einen Salonlöwen erwartet. Da sieht man mal, wie sehr man sich bei einer jungen Dame vom Äußeren täuschen lassen kann.«
Miss Dubarry und Tony standen voreinander.
»Wie geht’s, Tony?«, fragte Miss Dubarry leichthin.
»Tolle Party«, sagte Tony gleichmütig.
Miss Dubarry ging weiter. Beide gebärdeten sich sehr lässig und souverän, sehr modern und nonchalant. Danach gingen sie einander aus dem Weg. Miss Dubarry verbreitete sprühendes Leben in der einen Ecke, Tony in der anderen.
»Aha!«, dachte Miss Pettigrew. »Haben einander ständig im Hinterkopf. Spielen sich auf. Oje, wie bedauerlich! Zeigt, dass sie etwas füreinander empfinden.«
Später kreuzte Miss Dubarry auf.
»Das ist Tony«, wisperte sie.
»Ich weiß«, sagte Miss Pettigrew.
Sie sah Miss Dubarry an. Tony schaute nicht in ihre Richtung, und Miss Dubarry ließ ihren Blick auf ihm ruhen. Einen winzigen Moment lang glaubte Miss Pettigrew etwas wie Niedergeschlagenheit in ihren Augen zu sehen, doch dann drehte Tony sich um, und Miss Dubarry lachte und scherzte mit jemand anderem.
Mit einem Mal verlor Miss Pettigrew das Interesse an den Menschen um sie herum. Letztlich waren es ja doch
Fremde, wohingegen Miss Dubarry ihre Freundin war. Beim Gedanken daran, wie Miss Dubarry sich fühlte, konnte sie sich nicht mehr so recht freuen und glücklich sein.
Sie schob sich durch die Menge und fand ein stilles Plätzchen am Ende der Bar, entdeckte einen freien Hocker und setzte sich.
»Oje!«, dachte sie betrübt. »Ich hoffe doch, dass der junge Mann wieder zu Verstand kommt. Ich kann es nicht ertragen, Miss Dubarry so unglücklich zu sehen. Man ist doch nur so kurze Zeit jung.«
Miss LaFosse kam herbei.
»Guinevere«, sagte sie, »darf ich Ihnen Tony vorstellen, einen Freund von mir.«
Miss Pettigrew und Tony begrüßten einander.
»Dann plaudert mal ein bisschen«, sagte Miss LaFosse munter und verschwand.
»Wie wär’s mit einem Drink«, bot Tony liebenswürdig an.
»Danke«, sagte Miss Pettigrew nachdenklich, »ich glaube, da sage ich nicht Nein.«
»Ich hatte schon zwei«, überlegte sie umsichtig, »und spüre keine üblen Wirkungen. Ein weiterer kann nicht schaden, und eine Zustimmung scheint sie alle immer sehr viel mehr zu beeindrucken.«
Tony beäugte sie kritisch. Er sah sich gern als Frauenkenner. Ihm entging weder das dezente Glitzern der Ohrringe noch der elegante Schnitt des Kleides. Entsprechend fiel seine Einschätzung aus.
»Einen Snake’s Venom?«
»Oh … äh. Tatsächlich? Ja, natürlich«, sagte Miss Pettigrew einigermaßen verwirrt.
Tony brachte einen Drink, den Miss Pettigrew in einem
Zug fast bis zur Hälfte leerte. Tony musterte sie bewundernd. Einen irren Moment lang fragte sich
Weitere Kostenlose Bücher