Miss Saigon der Hund der Japaner und ich Roman
steigen. Weil ich noch nicht weiß, wohin mich mein Leben tragen wird, lagere ich die Sachen vorübergehend im Keller meiner Eltern ein.
17:22 Uhr - Charlotte und ich stehen alleine in der kahlen Wohnung. Ein paar Staubflusen tanzen über die nackten Dielen.
»Ich muss dir was sagen«, setze ich an, um von meinem Rauswurf zu erzählen. In den leeren Räumen klingen meine Worte merkwürdig hohl.
»Ich dir auch.« Anspannung liegt in ihrer Stimme.
»Na gut. Du zuerst.«
»Nein, du!«
»Nein, du!«
»O.K.« Sie atmet tief durch. Eine dunkle Vorahnung beschleicht mich, dass der garstige Götterbote, der Überbringer übler Nachrichten, noch lange nicht Feierabend gemacht hat.
»Ich kann nicht mehr! Ich kann einfach nicht so weitermachen. Du liebst mich nicht! Ich dachte immer, dass sich das mal ändert. Aber wir sind jetzt über ein Jahr zusammen, und ich habe immer noch das Gefühl, für dich nur eine Affäre zu sein. Das macht mich kaputt! Ich will das nicht mehr!«
»Und das heißt?« Noch während ich die Frage ausspreche, kommt sie mir reichlich dämlich vor.
»Was das heißt? Das heißt, dass ich mich hiermit von dir trenne, Dummkopf!«
Süß, wie sie Dummkopf mit diesem niedlichen französischen Akzent ausspricht, schießt es mir durch den Kopf. Eine Millisekunde später schlägt die Bedeutung ihrer Worte in meinem Bewusstsein ein. Ich schweige, suche nach Rechtfertigungen, obwohl ich weiß, dass ihre Vorwürfe stimmen. Die Stille währt nicht lange, denn schon dreht Charlotte sich um und rauscht zur Türe raus.
17:25 Uhr - Ich bleibe alleine in der leeren Wohnung zurück. Wenigstens muss ich ihr jetzt nicht mehr sagen, dass ich meinen Job verloren habe.
18:00 Uhr - Ich gebe den Mietwagen ab. Natürlich fällt dem Aushilfsheini als Erstes der Kratzer auf. Ich besteche ihn mit meinen letzten zwanzig Euro, habe dadurch kein Geld mehr für das U-Bahn-Ticket und werde beim Schwarzfahren erwischt.
»Oh Gott! Womit habe ich all das nur verdient?«, lamentiere ich vor den Kontrolleuren, die sich dadurch natürlich nicht beirren lassen.
Selbstmitleid gehört zu den nervigsten Gemütsregungen überhaupt. Aber ich muss zugeben, dass ich mir nach diesem Tag eine wohlproportionierte Dosis gegönnt habe.
Beim Blick in den Spiegel sah ich einen mittellosen Hobo. Ich sah einen emotionalen Krüppel, der die Glückspille nicht mal schluckt, wenn man ihn in eine Zwangsjacke steckt und ihm das Leckerli per Trichter in den Rachen stopft.
Ich hasste mich für meine Unfähigkeit, mich zu verlieben. So schwer konnte das doch eigentlich gar nicht sein. Aber ich war ein Idiot: Ein Mann, den keine Frau braucht - weil er denkt, dass er keine braucht.
3.
Mein Retter hieß Alois. Mein bester Freund räumte sein Arbeitszimmer aus, stellte eine Couch rein, sorgte für einen stets gut gefüllten Kühlschrank und gab mir so ein vorübergehendes Zuhause. Ob er zu diesem Zeitpunkt das Ausmaß meines parasitischen Potenzials schon ahnte? In den nächsten Wochen versuchte ich jedenfalls, möglichst wenig Varianz in meinen Tagesablauf zu bringen. Lediglich die Reihenfolge der Aktivitäten änderte sich leicht. Im Wesentlichen trug sich zwischen Morgengrauen und Abendrot Folgendes zu: Daliegen. Decke anstarren. Zum Kühlschrank schlurfen. Telefon anstarren. Fernseher an. Fernseher aus. Fernseher doch wieder an. Mittags-Talk. Gerichtsshows. Fernseher aus. Wohnungsanzeigen ansehen. Beschließen, dass nichts dabei ist. Aus dem Fenster gucken. Stellenanzeigen ansehen. Beschließen, dass nichts dabei ist. Telefon anstarren. Noch mal Kühlschank. In den Mail-Account einloggen und alle Nachrichten ungelesen löschen. Fernseher an. Einschlafen.
So ging das einen Monat, zwei Monate, schließlich drei. Alois ertrug es mit stoischer Ruhe, doch irgendwann ging mein Phlegma selbst ihm auf die Nerven:
»Und? Was macht die Jobsuche?«
»Was?«
»Was macht deine Jobsuche?«
»Ach … die Jobsuche … Du weißt doch, dass es gerade schwierig ist, etwas zu finden.«
»Hast du denn wenigstens schon mal angefangen, dich zu bewerben?«
»Klar, ich hab ein paar Leute gefragt, ob sie was wissen.«
»Na toll! Und was macht die Wohnungssuche?«
Ich fand unser Arrangement mit der Couch, dem Fernseher und dem immer vollen Kühlschrank sehr bequem, doch da seine Vorstellungen anscheinend anders aussahen, log ich:
»Ich hab mir im Internet schon ein paar Sachen angeschaut.«
»Und? Wann hast du Besichtigungstermine?«
»Na ja, mit der Wohnung
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