Miss Seeton kanns nicht lassen
tun konnte? Unter den nächsten Autobus fallen. Als ob sie das nicht wüßte. Er hielt immer noch die Tür auf und sagte mit leicht beschämtem Augenaufschlag: »Ich weiß, es ist eine Zumutung, aber wissen Sie, wenn einer in Not ist, dann fragt er nicht nach so was, und da Sie den Superintendent kennen und mit der Polizeiarbeit vertraut sind…«
»Ich -?« fragte sie erstaunt. »Aber ich habe doch keine…«
»Verzeihen Sie«, unterbrach er. »Ich hatte mir vorgenommen, mich mit Delphick in Verbindung zu setzen – ich wollte ihn gerade anrufen und eine Zeit vereinbaren, da sah ich Sie in der Bank, und das kam mir vor wie eine Antwort auf meine Frage. Sie können mir raten, was ich tun soll, bevor ich mich noch weiter blamiere.«
Überrascht und ohne richtig zu wissen, wie sie in den Wagen gelangt war, fand sich Miss Seeton auf dem Beifahrersitz, die Tür wurde zugeschlagen, und der hartnäckige Bittsteller rannte um den Wagen herum und sprang auf den Führersitz.
»Sir…. Sir…«
Der Bankmanager blickte auf. »Man klopft gewöhnlich an, Jestin, bevor man hereinstürzt, nicht wahr.«
»Sir – wir müssen sofort die Polizei anrufen.«
»Die Polizei?« Der Manager schauerte zusammen. »Ich denke, von der haben wir erst mal genug. Der Vorstand war nicht gerade begeistert.«
»Ja, aber – « Jestin tanzte fast vor Aufregung. »Es geht um Miss Ess – sie hat mir ein Zeichen gegeben. Der Mann war es, das hat sie gesagt. Fabelhaft hat sie’s gemacht – sicher hatte er ‘ne Pistole gezückt, und ich hab’ nichts davon gemerkt. Sie hat überhaupt nicht mit der Wimper gezuckt, hat einfach gesagt: >Ja, ganz anders heute<, ganz ruhig, als ob sie vom Wetter spräche, und dann gab sie mir die Skizze, die sie hinten auf ihr Kassenformular gezeichnet hatte, weil sie wußte, das würde ich schon verstehen. Fabelhaft, wirklich. Und dann ist sie mit ihm rausgegangen, wie im Film, wo sie doch wußte, er würde sie umbringen, und hat alles mir überlassen.« Stolzgeschwellt fügte er hinzu: »Sie verließ sich eben auf mich. Eine wundervolle Frau, Sir, das werden Sie zugeben.«
Der Manager schlug mit der Hand auf den Tisch. »Wovon reden Sie eigentlich, Jestin?«
»Von Miss Ess, Sir – das ist Miss Seeton.« Und er berichtete, wie sich in seinen Augen alles abgespielt hatte, und hielt dem Manager den Kassenzettel mit der Rückseite nach oben hin. »Hier, die beiden, Sir – genaues Ebenbild. Einmal mit dunklen Augen, dunklem Haar und Schnurrbart, der andere so, wie er früher war. Unverkennbar – ganz unverkennbar. Ich begreife nicht, warum ich das nie erkannt habe. Aber wir müssen die Polizei anrufen, Sir, sonst ist es um sie geschehen. Sie hat sich auf mich verlassen.«
Der Manager runzelte die Stirn. Hysterie? Wer weiß… Und Miss Seeton arbeitete für Scotland Yard. Im Vorstand würden sie toben. Aber wenn irgendwas schiefging, mußte er es ausbaden. Bloß nicht noch mehr Schwierigkeiten. Er wollte hiermit nichts zu tun haben. »Wenn Sie sich mit Ihrer verrückten Idee an die Polizei wenden wollen, Jestin – bitte schön. Aber das nehmen Sie auf Ihre eigene Kappe.« Drohend: »Hören Sie zu, Jestin: Wenn Sie hier Stunk machen und es ist nichts dran, dann melde ich die Sache dem Vorstand. Tun Sie, was Sie nicht lassen können.«
»Ja, Sir, danke.« Jestin schloß die Tür, stürzte ans Telefon und ließ sich mit der Polizeiwache in Brettenden verbinden. »Polizei dort? Losung: Miss Ess«, sagte er mit der Begeisterung eines Indianerspielers.
»Ihr Name, bitte?« fragte das Telefon freundlich. »Und die Adresse?«
»Miss Ess«, wiederholte Jestin eilig. »Sie braucht Hilfe!«
Das Telefon blieb geduldig. »Wie war der Name, bitte? Und die Adresse?«
»Miss Seeton«, heulte Jestin. »Ihr Deckname ist doch Miss Ess! Sie arbeitet für Scotland Yard, und sie hat mir eine Nachricht zukommen lassen! Sie ist in Lebensgefahr!«
»Miss Seeton, sagten Sie? Für Scotland Yard? Moment bitte.« Telefon und Zeit standen still. Dann kam eine neue Stimme, ruhig und gelassen. »Wer spricht da, bitte?«
»Hier ist Jestin, von der Bank. Es geht um Miss Ess.«
»Ich dachte, Sie hätten Miss Seeton gesagt, Sir.«
»Ja!« schrie Jestin verzweifelt. »Begreifen Sie denn nicht, sie ist in Lebensgefahr, wir dürfen keine Zeit verlieren!«
»In Lebensgefahr?« wiederholte das Telefon überrascht. »Doch, ja – ich verstehe. Und von wem droht ihr Gefahr?«
»Von unserem Hauptkassierer!« rief Jestin außer sich. »Der
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