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Miss Seeton riskiert alles

Miss Seeton riskiert alles

Titel: Miss Seeton riskiert alles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heron Carvic
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solide Schuhe, einen Hut – davon konnte es keine zwei geben; dann wieder die Schuhe, an denen graue Strümpfe sichtbar wurden, den Hut, der jetzt zerbeulter war als vorher. Er lief zum Ende der Rutschbahn und fand Miss Seeton, die sich betäubt und verwirrt aufgesetzt hatte.
    »Ein junger Mann rannte in mich hinein, und ich bin leider ausgeglitten«, erklärte sie. Sie sah um sich. »Oh, mein Zeichenblock und – «
    »Alles ist hier und in Ordnung.« Chefsuperintendent Delphick reichte ihr Skizzenbuch, Bleistift und Schirm, während er ihr auf die Beine half.
    »Ich danke Ihnen, Chefsuperintendent.« Miss Seeton war erleichtert. »Aber der junge Mann…?« Sie sah zur Spitze des Turmes hinauf.
    »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte Delphick. »Er kam auf einem anderen Weg herunter.« Er sah seinen Sergeanten an. »Fiel auf den Kopf, brach das Genick. Und wir sind ihn glücklich los«, murmelte er.
    »Bringen Sie sie weg, während ich mich um alles kümmere.«
    Die erregte Menge, die sich wegen des »Unfalls« angesammelt hatte, verhinderte, daß Miss Seeton merkte, was sich ereignet hatte. Bob Ranger führte sie zu einem anderen Teil des Geländes.
    Chefsuperintendent Delphick war von einem Spitzel gewarnt worden, das Syndikat plane, das Fest in Plummergen zu stören. Nach einer telefonischen Unterredung mit Brinton in Ashford hatte er zugestimmt, selbst hinzufahren und seinem Sergeanten beizustehen, der schon an Ort und Stelle war. Brinton hatte sich verpflichtet, so viele Polizisten in Zivil, wie er auftreiben konnte, unter das Volk zu mischen. Tom Haley hatte sich vor Delphicks Abfahrt im Büro gemeldet. Offiziell hatte er noch Erholungsurlaub. Da er jedoch von dem möglichen Überfall in Plummergen gehört hatte und wußte, daß Deirdre eintraf, wenn das Fest voll im Gange war, hatte er gebeten, das Orakel begleiten zu dürfen. Andernfalls, hatte er erklärt, würde er es im Alleingang machen. Delphick hatte seine Zustimmung gegeben. Auch war er auf Toms Bitten hin und auf Grund seiner Erfahrung in Kempton damit einverstanden, daß er bei dieser Gelegenheit bewaffnet war. So war die uniformierte Polizei in mehr als normaler Stärke für die Verkehrsregelung auf dem Fest vertreten. Und trotzdem mußte Delphick sich eingestehen, hatte er einen Anschlag auf Miss Seeton nicht verhindern können. Er beaufsichtigte den Abtransport des schmierigen toten jungen Mannes durch die Ambulanz. Dann machte er sich auf die Suche nach seinem Sergeanten und Miss Seeton.
    Blau – weiß – rot – grün. Miss Seeton notierte die Farben auf ihrer Bleistiftskizze. Wenn es doch nur mal länger stillstehen würde! Und wenn die Orgel nicht so laut wäre! Das Karussell begann sich langsamer zu drehen, und sie entdeckte Deirdre, die auf einem Holzpferd daherschwebte. Miss Seetons Stift arbeitet schneller – Löwen, Hähne, Giraffen, Bären, Strauße, Pferde. Was für eine Vielzahl von Tieren diese Karussells heutzutage besaßen. Die Schwierigkeit, die ewige Schwierigkeit bestand darin, das Gefühl zu vermitteln, daß alles in Bewegung war. Die wenigen Künstler, denen das gelungen war, hatten es nicht durch einen technischen Trick vermocht, sondern in ihren Händen hatte ein Genie gesteckt, das sich jeder Analyse entzog. Miss Seeton seufzte. Sie war sorgfältig, vielleicht akkurat – aber Genie, nein, das besaß sie nicht.
    Miss Seeton war dabei, Deirdre Bob Ranger vorzustellen, als sie mitten im Satz abbrach.
    Diese Kleine da, die sich so sehr anstrengte, auf die Plattform zu klettern! Sie öffnete nochmals ihren Block, ihr Bleistift flog über das Papier, und es entstand in kurzen Strichen die kleine, viereckige, entschlossene Gestalt, wie sie sich vergeblich hinaufreckte. Das war die Lösung – ihr Thema. Um Bewegung brauchte sie sich nicht mehr zu sorgen. Die Hauptsache war jetzt, daß das Karussell stillstand. Dieses kleine Mädchen sollte die ganze Menschheit in ihrem dauernden und vergeblichen Bemühen darstellen, das zu erfassen, was jenseits ihrer Reichweite lag.
    Ehe Deirdre und Bob begriffen, was Miss Seeton beabsichtigte, hatte sie Skizzenbuch und Bleistift in die Handtasche gesteckt, war hingelaufen und hatte das kleine Mädchen, das noch immer vergebliche Anstrengungen machte, aufgehoben. Sie war mit ihm auf die Plattform gestiegen und hatte es auf den Rücken einer Giraffe gesetzt. Es sah sie feierlich an.
    »Ta«, sagte die ganze Menschheit.
    Die Plattform begann sich langsam zu drehen. Die Orgel keuchte heiser

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