Missgeburt
mit einem deutlichen Akzent. »Diese Qualität finden Sie nirgendwo günstiger.«
»Okay, dann nehme ich dieses Rib-Eye dort.«
Der Metzger packte das Fleisch in Wachspapier und drückte Samuel das Päckchen in die Hand. »Sie können dort hinten an der Kasse bezahlen.«
Das Innere des Gebäudes wurde von träge kreisenden Deckenventilatoren gekühlt, die zugleich die exotischen Aromen der fremdartigen Lebensmittel und Gewürze verteilten, die für Samuels Nase größtenteils völlig neu waren. Er sog gerade genüsslich den Duft frisch gebackener Tortillas ein, als ihm ein Stapel Säcke mit Pintobohnen auffiel, die mit dem Schriftzug des Mi Rancho Market bedruckt waren. Er betrachtete sie näher und war sich sicher, dass das M genauso aussah wie das auf dem Leinensack, in den das Leichenteil eingeschlagen gewesen war.
Samuel ging auf eine attraktive Frau mit einer weißen Schürze
zu, die hinter dem Ladentisch stand. Sie war nur etwas über einen Meter fünfzig groß und hatte kurz geschnittenes schwarzes Haar und schwarze Augen. Bevor Samuel etwas sagen konnte, begrüßte sie ihn mit einem freundlichen Lächeln.
»Kann ich Ihnen helfen, Sir?«, fragte sie mit einem leichten spanischen Akzent und zeigte ihre makellos weißen Zähne.
»Ich hoffe es. Mein Name ist Samuel Hamilton. Ich arbeite für die Zeitung.«
»Die meisten unserer Mitarbeiter sprechen leider nicht gut genug Englisch, und der Rest hat zu viel zu tun, um Zeitungen zu lesen – falls Sie hier welche verkaufen wollen.«
»Nein, nein, keine Angst. Ich will Ihnen kein Abo andrehen. Ich bin Reporter und recherchiere gerade für einen Artikel.« Er war unschlüssig, wie viel er der Frau über den grausigen Mord erzählen sollte, über den er zurzeit Nachforschungen anstellte. Deshalb fuhr er vorsichtig fort: »Dabei spielt unter anderem ein Leinensack mit einem aufgedruckten M eine wichtige Rolle.«
»Und worum geht es in diesem Artikel?«, fragte die Frau, deren Lächeln inzwischen verflogen war.
»Jemand hat einen Sack mit einem M darauf gefunden, und jetzt versuche ich herauszubekommen, woher dieser Sack ursprünglich stammt und wem er gehört hat.«
»Wir verkaufen hier viele Produkte in Säcken, und unsere Kunden kommen aus der ganzen Bay Area. Was war in Ihrem Sack?«
»Pintobohnen.« Samuel fand das Englisch der Frau erstaunlich gut, vor allem für jemanden, der in einem Lebensmittelgeschäft im tiefsten Mission District beinahe ausschließlich mit Latinos zu tun hatte.
»Wir beziehen unsere Pintobohnen aus Mexiko, über fünfhundert Sack pro Jahr.«
»Verkaufen Sie auch an Einzelpersonen ganze Säcke?«
»Nein. Solche Mengen nehmen normalerweise nur Großkunden ab.«
»Könnten Sie mir vielleicht sagen, wer diese Großabnehmer in San Francisco sind?«
Die Frau zog den Kopf zurück und sah den Reporter misstrauisch an. »Für jemanden, den ich gerade kennengelernt habe, verlangen Sie aber nicht gerade wenig von mir, Mr. Hamilton.«
Samuel errötete. »Entschuldigung. Ich will mich ganz sicher nicht in Ihre Geschäfte einmischen. Wie heißen Sie übrigens?«
»Rosa María Rodríguez.«
»Sind Sie die Inhaberin des Geschäfts?«
»Ich bin Mitinhaberin.«
Samuel überlegte kurz, wie er weiter vorgehen sollte, aber dann sagte er spontan: »Ich will Ihnen nichts vormachen, Mrs. Rodríguez. Der Artikel, für den ich recherchiere, behandelt einen Mordfall.«
Die Augen der Frau weiteten sich. »Sie glauben doch nicht etwa, wir hätten etwas mit einem Mord zu tun?«
»Nein, natürlich nicht.« Obwohl es ihm widerstrebte, wurde Samuel klar, dass er ihr jetzt ausführlicher erzählen musste, worum es in dem Fall ging. Zudem sagte ihm sein Gefühl, dass sie ihm helfen würde. »Also, die Sache ist folgende.« Und dann erzählte er der Frau so viel über das Verbrechen, wie er verantworten zu können glaubte. Er verschwieg dabei nicht, dass das Leichenteil in einem Leinensack gefunden worden war, auf dem Reste eines M zu erkennen gewesen waren.
»Und Sie sind sicher, dass dieser Sack aus unserem Laden stammt?«, fragte die Frau skeptisch.
»Ja, ziemlich sicher. Diesen Schluss legen zumindest die Indizien nahe, die uns bisher vorliegen. Aus diesem Grund möchte ich die Suche zunächst auf diejenigen Personen eingrenzen, die sich im Besitz eines Ihrer Bohnensäcke befunden haben könnten. Da Sie jährlich um die fünfhundert Sack Bohnen verkaufen, kommt dafür natürlich ein ziemlich großer Personenkreis in Frage, aber irgendwo muss man
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