Missgeburt
glücklich schätzen konnte, auf eine Warteliste gesetzt zu werden. An einem Montag war es endlich so weit. Er ging von seiner Wohnung in der Bartlett Street zunächst zur Seventeenth Street, die sich im mexikanischen Teil des Mission District befand, der früher einmal fest in irischer Hand gewesen war. Aber diese Zeiten gehörten längst der Vergangenheit an. Inzwischen waren in den Schaufenstern der Geschäfte, an denen der Zwerg vorbeikam, ausschließlich mexikanische Produkte ausgestellt. Besonders die zahlreichen Schuhläden riefen viele schöne Erinnerungen in ihm wach, denn er war in Juarez aufgewachsen, das gleich gegenüber von El Paso, Texas, auf der mexikanischen Seite der Grenze lag. Als er schließlich die Folsom Street erreichte, blockierte eine lange Reihe von Southern-Pacific-Güterwaggons die Kreuzung, während ihre Diesellokomotive noch in einem Ringlokschuppen am Ende der Gleise stand. Glücklicherweise befand sich jedoch das Haus, in dem die Domina wohnte, in diesem Teil der Folsom Street, sodass er nicht warten musste, bis der Güterzug die Kreuzung räumte. Er blieb vor einem heruntergekommenen viktorianischen Holzhaus mit den für San Francisco typischen Erkern stehen. Vor dem Eingang lagen einzelne Zeitungsseiten und andere vom
Abendwind angewehte Abfälle herum. Da Schwartz nicht zu Dominiques Stammkunden zählte, hatte er am Wochenende keinen Abendtermin bekommen, sondern mit einem Achtzehn-Uhr-Termin an dem Wochentag vorliebnehmen müssen, an dem seine Kirche geschlossen war. Die dreißig Dollar, die ihn das Vergnügen kosten würde, waren in seinen Augen eine Menge Geld dafür, sich von jemandem schlagen und erniedrigen zu lassen. Aber ihm war gesagt worden, dass es die Sache durchaus wert war.
Er klingelte und wartete nervös. Durch den schmutzigen Spitzenvorhang hinter dem kleinen Fenster in der Tür waren die Umrisse einer Treppe zu erkennen. Nachdem er zum vierten Mal geläutet hatte, ertönte schließlich ein Summer, und er betrat eine schwach beleuchtete Diele. Liebevoll gepflegte Zimmerpflanzen säumten die Treppe.
Zögernd stieg der Zwerg die knarrenden Stufen hinauf. Im Obergeschoss war es noch dunkler als in der Diele. Ein paar schwache Lampen beleuchteten eine grausige Sammlung von Schrumpfköpfen, die in kleinen Vertiefungen in den Wänden des Wohnzimmers ausgestellt waren. In einer offenen Tür zeichneten sich die Umrisse einer sehr großen Frau in einem schwarzen Lederbikini ab. Ihr straff nach hinten gekämmtes schwarzes Haar wurde von einem halbkreisförmigen orangefarbenen Kamm gehalten, der den einzigen Farbtupfer darstellte. Ihre Stiefel reichten weit über ihre Knie und hatten fünfzehn Zentimeter hohe Stilettoabsätze. In der linken Hand hielt sie eine Peitsche, die sie so dicht vor seinem Gesicht knallen ließ, dass er erschrocken zurückzuckte.
Im Hintergrund lief eine Platte mit Orgelmusik von Bach. Dusty Schwartz wedelte die dichten Räucherstäbchenschwaden, die durch das Zimmer schwebten, von seinem Gesicht fort.
»Hallo, ich bin Dusty. Ich hatte für sechs einen Termin«, sagte er mit zitternder Stimme. Erst jetzt bemerkte er die hässliche Brandnarbe auf der linken Gesichtshälfte der Frau.
»Halt’s Maul. Ich weiß, wer du bist. Und schau mir nie wieder ins Gesicht. Das ist hier kein Schönheitswettbewerb; und wenn es einer wäre, bekämst du nicht mal einen Trostpreis, du hässlicher Gnom. Zieh dich einfach aus, und den Blick immer schön auf dem Boden lassen! Um alles weitere kümmere ich mich.« Dusty Schwartz wusste nicht, wie er auf diese Begrüßung reagieren sollte, aber er begann, Geschmack an der Sache zu finden. Sein Herz schlug schneller. Ob allerdings vor Angst oder vor Erregung, hätte er nicht sagen können. Er wurde nicht gern an sein Aussehen erinnert, weshalb er sich nur unter großer Verlegenheit und Scham auszog.
»Und jetzt auf die Knie«, befahl die Frau streng. Und als er ihrer Aufforderung nachgekommen war, fügte sie hinzu: »Und so kriechst du jetzt in die Folterkammer.« Sie ließ direkt über seinem nackten Rücken eine Peitsche knallen. Gehorsam rutschte der Zwerg auf allen vieren in einen dunklen Raum.
Die Domina folgte ihm mit einer Taschenlampe, die sie auf ein Paar an der Rückwand des Zimmers befestigte Handschellen richtete.
»Nimm sie und fessle dich«, befahl sie leise.
Er kam ihrer Aufforderung nach, doch sie fuhr ihn herrisch an: »Nicht so, du Trottel! Mit dem Gesicht zur Wand.«
Sobald er sich die Fesseln
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