Missgeburt
eine attraktive junge Frau. Dustys erster Gedanke war, sie zu erobern, wie so viele Frauen zuvor in seinem Leben. Seinem kleinen Leben. Er hatte zwar lockiges schwarzes Haar und ein sympathisches Gesicht mit weit auseinanderstehenden blauen Augen, die auffälligsten Merkmale seines kleinwüchsigen Körpers waren jedoch ein unverhältnismäßig
großer Kopf und die extrem kurzen O-Beine. Denn Dusty Schwartz war ein Zwerg. Ein Zwerg, der schöne junge Frauen liebte.
Sie ging mit dem Spendenkorb von Bank zu Bank. Als der Korb schließlich zu Schwartz weitergereicht wurde, quoll er fast über von Geldscheinen, obwohl sich die Kirchengemeinde überwiegend aus einfachen Arbeitern zusammensetzte. Offensichtlich bekundeten sie mit ihren großzügigen Spenden ihre tiefe Dankbarkeit für den tröstenden Zuspruch, den sie gerade erhalten hatten.
Schwartz, der immer noch auf der Kirchenbank stand, als die junge Frau zu ihm kam, legte demonstrativ einen Zehndollarschein in den Korb, bevor er ihn ihr zurückgab.
»Perdóname, señorita« , sprach er sie auf Spanisch an. »Sind Sie mit dem Prediger verwandt?«
»Sí« , antwortete sie. » Es mi padre , er ist mein Vater.«
»¿Como se llama?« Der Zwerg war hingerissen von der jungen Frau. Großgewachsen und gut gekleidet, hatte sie ihr dichtes schwarzes Haar aus dem attraktiven Gesicht streng nach hinten gebunden.
»Ich heiße Vanessa Galo«, stellte sie sich mit einem freundlichen Lächeln vor. »Weil die beiden Diakone krank sind, muss heute Abend ich meinem Vater bei der Kollekte helfen.«
»Mein Name ist Dusty Schwartz«, stellte sich der Zwerg mit einer leichten Verbeugung vor. »Ich bin immer noch tief beeindruckt von der Predigt Ihres Vaters und würde gern öfter an seinen Gottesdiensten teilnehmen. Wo und wann predigt er sonst noch?«
»Mein Vater ist bei den Gläubigen tatsächlich sehr beliebt und predigt deshalb in vielen verschiedenen Kirchen. Wenn Sie wissen möchten, wo und wann, rufen Sie mich einfach nächste Woche unter dieser Nummer an. Dann kann ich Ihnen alle Termine nennen.«
Auf der Visitenkarte, die sie ihm reichte, stand Janak Marachak,
Rechtsanwalt , und darunter waren Adresse und Telefonnummer angegeben. Vanessa schrieb unter den Namen des Anwalts von Hand ihren eigenen. »Sie arbeiten bei einem Anwalt?«, fragte Dusty Schwartz.
»Ja.«
»Ist er zufällig Strafverteidiger? Ich bin nämlich beim San Francisco Police Department.«
Vanessa ließ sich ihre Überraschung, dass jemand mit seiner Statur bei der Polizei war, nicht anmerken. »Nein, nein. Er vertritt vor allem Leute, die bei Chemieunfällen gesundheitliche Schäden davongetragen haben.«
Als sie sich mit einem freundlichen Lächeln entfernte, um auch im hinteren Teil der Kirche die Spenden der Gläubigen einzusammeln, sah ihr der Zwerg hingerissen hinterher. Er musste sie unbedingt näher kennenlernen.
Im Jahr darauf war Dusty Schwartz beinahe rund um die Uhr beschäftigt. Tagsüber arbeitete er in der Asservatenkammer des San Francisco Police Department, abends opferte er fast seine ganze Freizeit für den Aufbau der Universalkirche für seelische Entfaltung, die er in der Mission Street mit einem Teil des Gelds gegründet hatte, das er von seinem Vater, einem wohlhabenden Arzt, geerbt hatte. Er war allerdings nicht sehr erfolgreich bei seinen Bemühungen, Gläubige zu finden, die bereit waren, sich seine Predigten anzuhören oder für seine Kirche zu spenden, und es gelang ihm nur dank eines kostenlosen Büffets, ein paar gescheiterte Existenzen dazu zu bewegen, hinterher noch zu einer Bibelstunde zu bleiben. Sosehr sich Dusty Schwartz auch anstrengte, den Herrgott zu preisen und den Ungläubigen die Qualen der ewigen Verdammnis auszumalen, er schaffte es einfach nicht. Nur eine spärliche Schar von Gläubigen fand in seine Gottesdienste, unter ihnen – die größte Enttäuschung – nicht ein einziges hübsches junges Mädchen, das ihm bei der Predigt an den Lippen hing.
Wenn es sein Terminplan zuließ, besuchte er weiterhin, vor allem an den Wochenenden, Alejandro Galos Gottesdienste, um die Methoden des begnadeten Predigers zu studieren. Aber es half alles nichts.
Das sollte sich von einem Tag auf den andern ändern. Er lernte Dominique kennen.
4 DOMINIQUE, DIE DOMINA
N eben der Religion war Dusty Schwartz noch von etwas anderem besessen: Sex. Er hatte sich schon seit Monaten um einen Termin bei Dominique bemüht, aber ihre Dienste waren so gefragt, dass er sich
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