Missgeburt
Samuel.
Daraufhin nannte ihm Perkins den Titel des Bilds sowie den Namen des Künstlers und die römische Kirche, aus der es gestohlen worden war.
»Und auf alle diese Angaben kann ich mich in meinem Artikel beziehen?«, fragte Samuel sicherheitshalber.
»Darauf dringe ich sogar. Andrija Artuković ist ein gutes Beispiel für die politischen Kontroversen, die gegenwärtig in unserem Land ausgefochten werden. Es gibt nämlich einflussreiche Gruppierungen, die sich einer Auslieferung von Nazi-Kriegsverbrechern an kommunistische Staaten wie Jugoslawien strikt
widersetzen. Aber zum Glück liegen gegen Nikolić noch andere Vorwürfe vor.«
»Und die wären?«, fragte Samuel.
»Artuković lebt seit 1948 in Kalifornien. Er wurde bereits 1952 enttarnt und festgenommen und sollte daraufhin ausgewiesen werden. Doch dann verwies der U.S. Supreme Court den Fall an den Einwanderungsgerichtshof zurück, und dort wurde das Verfahren eingestellt, mit der Begründung, die eidesstattlichen Erklärungen, in denen Artuković zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wurde, seien nicht glaubwürdig. Wenn ich diesen Fall aber im Zusammenhang mit der Mordanklage gegen Nikolić wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rücken kann, gelingt es uns vielleicht doch noch, Artuković gerichtlich zu belangen.«
»Und was geschieht jetzt mit der Domina?«, fragte Samuel.
»Wenn sie vor Gericht bezeugt, dass Nikolić ihr das Gemälde geliehen und sich ihr gegenüber als sein Besitzer ausgegeben hat, sichere ich ihr Immunität zu.«
»Was allerdings die anderen Vorwürfe angeht, die gegen sie erhoben werden, wird sie auf keinen Fall ungeschoren davonkommen«, bemerkte Samuel. »Wegen schwarzer Magie und Meineid dürfte sie garantiert hinter Gitter wandern.«
»Das soll nicht mein Problem sein«, sagte Perkins und klopfte ungeduldig mit den Fingern auf die Schreibtischplatte. »Hauptsache, du schreibst meinen Namen richtig und streichst meinen Beitrag zur Aufklärung des Falls gebührend heraus, wenn du den Artikel veröffentlichst.« Mit diesen Worten komplimentierte er Samuel aus seinem Büro.
Zwei Tage später saß Samuel mit Melba am Stammtisch des Camelot und zeigte ihr den langen Zeitungsartikel mit der Überschrift SCHLÄCHTER VOM BALKAN UNTER MORDANKLAGE. Der Artikel befasste sich in aller Ausführlichkeit mit den komplexen Verflechtungen des Falls und schilderte
detailliert, wie zum einen der Assistant U.S. Attorney die wahre Identität des Angeklagten aufgedeckt hatte und zum anderen Marco und Ina Rodríguez mit ihren Hinweisen maßgeblich zur Lösung des Falls beitragen konnten. Der Artikel war direkt über den Comics platziert.
»Wenn das keinen kräftigen Karriereschub bedeutet, Samuel«, bemerkte Melba anerkennend. »In so kurzer Zeit gleich drei große Fälle, an deren Aufklärung du maßgeblichen Anteil hattest. Ohne dich hätte das die Polizei nie geschafft. Deine Getränke gehen heute aufs Haus.«
Der Reporter errötete. »Danke, Melba. Aber es ist erst elf.«
»Na und? Sieht doch niemand. Bringt dem Mann hier einen doppelten Scotch on the rocks, und für mich das Übliche«, rief sie über ihre Schulter.
»Eigentlich habe ich das alles nur dir zu verdanken, Melba. Du warst diejenige, die darauf beharrte, Sara wäre der Schlüssel zur Lösung des Falls. Das hatte ich bei meinen Recherchen immer im Hinterkopf. Und als ich dann am Wochenende Rosa María gebeten habe, mir bei der Vorbereitung des Essens zu helfen, das ich für Blanche kochen wollte, hat mir ihr Sohn erzählt, dass der Metzger des Mi Rancho Market schon die ganze Zeit ein Auge auf Sara geworfen hatte. In diesem Moment fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das war der Durchbruch.«
»Du vergisst dabei etwas«, korrigierte ihn Melba kopfschüttelnd.
»Der eigentliche Grund, warum schließlich alles aufgeklärt werden konnte, war die mühsame Kleinarbeit, die du im Vorfeld geleistet hast – was nicht heißt, dass ich dein Kompliment nicht trotzdem gern entgegennehme. Was geschieht übrigens jetzt mit Michael Harmony? Von ihm redet kein Mensch mehr, seit du den Fall gelöst hast.«
»Das wird meine nächste große Story. Gegen ihn wird zusammen mit McFadden und mehreren Gewerkschaftsführern Anklage erhoben, Schwartz mit minderjährigen Mädchen versorgt zu haben.«
»Ist eigentlich dieses Abendessen mit Blanche tatsächlich zustande gekommen? Du weißt schon, zu dem du sie in dieses Loch, das du Wohnung nennst, einladen wolltest. Ich muss
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