Missgeburt
sie und teilte dem Anwalt über die Sprechanlage Samuels Anliegen mit.
Perkins kam sofort aus seinem Büro gestürmt. »Hallo, Samuel. Willst du endlich einen Artikel über den Fall schreiben? Wie kann ich dir dabei behilflich sein?« Samuel gab sich trotz des unerwartet freundlichen Empfangs keinen Illusionen hin. Perkins ging es einzig und allein darum, die Lorbeeren für die Identifizierung des gestohlenen Gemäldes zu ernten. »Nur herein, alter Junge, nur herein!«
Die Sekretärin beobachtete erstaunt, wie ihr launischer Chef den Reporter in sein Büro komplimentierte.
Samuel versuchte erst gar nicht, in dem Chaos, das dort herrschte, eine Sitzgelegenheit zu finden. Er holte Block und Bleistift heraus, stellte einen Fuß auf einen der auf dem Boden lagernden Aktenstapel und begann: »Also, bisher habe ich Folgendes herausgefunden: Pavao Tadić, der kroatische Metzger aus dem Mi Rancho Market, wurde wegen des Verdachts festgenommen, den jungen Octavio Huerta ermordet und anschließend seine Leiche zerstückelt zu haben. Die Bandsäge in der Fleischabteilung des Ladens wurde nachweislich zur Zerkleinerung der Leiche des Jungen verwendet, und die Blutspuren, die in der Gefriertruhe des Mi Rancho Market und an Tadićs Fleischwolf gefunden wurden, wiesen die Blutgruppe AB positiv auf, die
auch das Opfer hatte. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft war das Mordmotiv wahrscheinlich Eifersucht, da der Metzger total verschossen in Octavios Freundin war. Ob die bisher vorliegenden Beweise ausreichen, um Tadić auch den Mord an Dusty Schwartz anzulasten, ist im Moment noch nicht klar, aber der Wollfaden, der im Haus des Predigers am Geländer der Hintertreppe gefunden wurde, stammt von einem beigen Alpakapullover aus Tadićs Wohnung. Des Weiteren wurde dort ein Foto von Sara Obregon gefunden, das aus Schwartz’ Wohnung stammt. Der Staatsanwalt ist der Auffassung, dass das Motiv auch in diesem Fall Eifersucht war. Schwartz hatte Sex mit Sara Obregon gehabt, und der Metzger glaubte, sie sei von ihm schwanger geworden. Und da er bekanntlich auch selbst ein Auge auf sie geworfen hatte, dürfte er darüber nicht gerade begeistert gewesen sein.«
»Und du bist nur gekommen, um mir das zu erzählen?«, brummte Perkins gereizt.
»Lass mich doch erst mal ausreden, Charles. Jetzt kommst du ins Spiel. Bernardi hat also Tadićs Fingerabdrücke, wie verabredet, an deine Leute weitergeleitet, worauf diese Andeutungen fallenließen, dass der Kroate etwas mehr wäre als nur ein einfacher Metzger.«
Perkins begann, sich aufzublasen. »Allerdings, der Verdächtige ist ein international gesuchter Kriegsverbrecher, wie das unter meiner Leitung stehende U.S. Attorney’s Office herausgefunden hat.«
»Jetzt kommen wir der Sache schon näher, Charles. Deshalb: Was kannst du mir für meinen Artikel verraten?«
»Die Fingerabdrücke des Metzgers, die Bernardi an uns weitergeleitet hat, stimmen mit denen überein, die wir auf dem gestohlenen Gemälde aus der Kirche gefunden haben. Und diese wiederum sind mit jenen des berüchtigten kroatischen Ustascha-Generals Vlatko Nikolić identisch, der im Zweiten Weltkrieg eng mit der SS und den Nazis zusammengearbeitet hat.«
»Jetzt wird es aber richtig interessant«, bemerkte Samuel. »Ich bin ganz Ohr. Wenn es mir gelingt, Pavao Tadićs wahre Identität aufzudecken, wird meine Story erst recht ein Knüller.«
»Aber du wirst hoffentlich nicht zu erwähnen vergessen, wem du diese wichtigen Hinweise zu verdanken hattest«, sagte Perkins.
»Das habe ich dir doch versprochen, Charles. Aber ich kann den Artikel meinem Chefredakteur erst dann zur Veröffentlichung vorlegen, wenn ich die ganze Wahrheit kenne.«
»Na schön, dann wirst du in deinem Artikel einfach schreiben, dass du von Assistant U.S. Attorney Charles Perkins erfahren hast, dass der des Mordes angeklagte Pavao Tadić mit dem kroatischen Ustascha-General Vlatko Nikolić identisch ist, der wegen zahlreicher Kriegsverbrechen gesucht wird, unter anderem auch wegen der Plünderung italienischer Kirchen während des Zweiten Weltkriegs.«
»Wegen welcher Kriegsverbrechen wird der Mann gesucht?«
»Völkermord. Anders ausgedrückt, wegen Massenmordes, Plünderung und Vergewaltigung. Er war ein Mitstreiter von Andrija Artuković, dem als Himmler des Balkans bekannten Innenminister des 1941 mit Unterstützung der Nazis gegründeten ›Unabhängigen Staates Kroatien‹.«
»Was kannst du mir noch über das Gemälde erzählen?«, fragte
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