Missing in Action
hin. Er schaffte es gerade noch, seine Stiefel aufzuschnüren und auszuziehen, bevor ihn das nächste Gähnen so heftig überfiel, dass er sich fast den Kiefer ausgerenkt hätte.
Tausend Gedanken stürzten auf ihn ein, Probleme, die gelöst, Ideen, die umgesetzt, und Schwierigkeiten, die beseitigt werden mussten, aber in seinem Kopf wurde alles zu einem einheitlichen Film, dem langsam, aber sicher der Ton abgestellt wurde.
Der Lärm um ihn herum störte ihn nicht mehr, als er sich auf den Rücken legte und die Augen schloss.
5
John wischte sich mit einer Hand den Schweiß aus den Augenbrauen und öffnete mit der anderen den Verschluss des Karabinerhakens an seinem Gürtel, um die Wasserflasche zu lösen. Es waren geübte Gesten, die weder sein Sichtfeld einengten noch seine Aufmerksamkeit beanspruchten, Bewegungen, bei hundert Einsätzen erlernt. Diese Art von Multitasking war typisch für alle, die lange genug Einsätze für die Konzerne oder das Militär überlebt hatten, und man eignete sie sich von ganz allein an.
Dabei ließ er den Blick nie von seiner Umgebung abschweifen. Sie waren jetzt von fremdartigen Pflanzen umgeben. Wie die anderen auch hielt John Abstand. Sie kannten sich hier nicht aus, und damit war alles eine potenzielle Gefahr. Die kleinen roten Büsche mit den orangefarbenen Spitzen an ihren Auswüchsen ebenso wie die Stämme der großen Bäume, die so dick waren, dass es zwei oder drei seiner Leute gebraucht hätte, um sie zu umfassen. In der Luft hing ein Staub,
von dem John vermutete, dass es Ausdünstungen der Fauna waren. Immer wieder reizte er ihn zum Husten. Insektenhafte Wesen schwirrten um sie herum, sie hatten verwirrende Formen und Farben.
Während John mit dem Erkundungsteam das sanft ansteigende Plateau emporstieg, das durch den allmählich dichter werdenden Bewuchs bis hinauf in den dichten Dschungel führte, dachte er über seine Ausbildung nach, und wie wenig sie ihn doch eigentlich auf Situationen wie diese vorbereitet hatte.
Während seiner Offiziersschulung hatte er Tests über Straßenverkehrsregeln auf Stützpunkten schreiben müssen. Vermutlich war das auch wichtig, im Großen und Ganzen, besonders für die Jungs, die niemals von einer Station herunterkamen, aber die interessanteren Regeln des aktiven Dienstes hatte er direkt vor Ort gelernt. Von anderen, die sie ihm – bewusst oder unbewusst – beigebracht hatten. Die Theorie einer Erkundungsmission, ja selbst die Übungen auf den Trainingsplätzen hatten nur bedingt mit der Realität zu tun. Und noch weniger mit der Situation auf einem unbefriedeten fremden Planeten.
Ein langgezogenes, seltsames Keckern ertönte vor ihnen, und die kleine Gruppe kam zum Stillstand. Aus dem kniehohen, bräunlichgrauen Schilf- und Farndickicht, durch das sie wateten, stiegen plötzlich zwei kleine, vogelähnliche Kreaturen auf. Farblich unterschieden sie sich kaum von den Gräsern der Umgebung, doch ob ihre Körper mit Federn oder etwas anderem bedeckt waren, konnte John nicht erkennen.
Mit weiteren aufgebrachten Rufen stiegen sie rasch über den Köpfen des Erkundungsteams auf. Sie flogen so schnell, dass John ihre Gestalt nur erahnen konnte, aber sie schienen zwei Paar Flügel zu haben, die in irrwitziger Geschwindigkeit schlugen.
»Ob man die fangen und fressen könnte?«, überlegte Rourke laut. Der Ex-Söldner nahm sein Kopftuch mit dem Stellar-Exploration -Logo – die Buchstaben S und E in Blau vor einer stilisierten silbernen Galaxie – ab und strich sich über die verschwitzten Stoppeln auf der Glatze. Er grinste und zwinkerte Jamie zu. »Ihr wisst doch, was sie auf den Stationen sagen – wenn du genug Hunger hast, schmeckt jedes verdammte Vieh wie Hühnchen, und jeder Beta sieht aus wie’ne Frau.«
Jamie deutete einen Sprungtritt in Rourkes Richtung an, grinste aber selbst.
Alle Blicke richteten sich auf John.
»Leute, noch haben wir keinen echten Mangel an Proviant. Unsere Epas und die Einsatzkekse enthalten genug Kohlenhydrate und Proteine, um uns vermutlich noch ein weiteres Jahrzehnt am Laufen zu halten …«
»Falls man den Epas nicht den Freitod vorzieht«, warf ein Witzbold ein, doch John überging die Bemerkung. »… und wir haben keine Ahnung, ob die hiesigen Vögel vielleicht Batteriesäure statt Blut in den Adern haben. Also, zunächst mal könnt ihr eure Jagdscheine in der Tasche lassen.« Mit der Hand gab er das Zeichen, weiterzumarschieren.
Cao ging an der Spitze ihres Trupps. Der kleine Beta war
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