Missing in Action
flüsterte Grasse.
John fluchte erneut.
»Ich auch nicht. Wir scheinen es verloren zu haben.«
Inzwischen war es fast dunkel. Scheiße, es wollte uns rauslocken, und genau das ist ihm auch gelungen.
»Wir kehren um«, befahl John, obwohl sein Jagdinstinkt geweckt war und er eigentlich weitersuchen wollte. Aber er wusste es besser; sie mussten zusammenbleiben, und er musste nach Bull sehen. Ohne in ihrer Aufmerksamkeit nachzulassen, gingen John und Grasse zurück zu der Stelle, wo Bull und die anderen warteten. Cao und Rourke hatten inzwischen defensive
Positionen eingenommen, während Jamie beim Sergeant geblieben war. Selbst jetzt, da Bull verletzt war, fand John keine Anzeichen von Emotion in ihrer Miene.
Als sich Grasse neben Bull kniete, winkte dieser ab.
»Es geht schon. Es hat mich nicht voll erwischt.«
»Lassen Sie den Doc Ihre Verletzung ansehen, Sarge. Das ist ein Befehl. Wenn Sie sich ablenken wollen, dann erzählen Sie mir dabei, was passiert ist.«
Grasse schnitt mit ihrem Kampfmesser Bulls Uniform auf und machte sich an die Arbeit, während der große Beta berichtete.
»Ich habe eine Bewegung gesehen. Da vorn.«
Er wollte mit der Hand in die Richtung zeigen, verzog aber vor Schmerzen das Gesicht.
»Ganz ruhig, Soldat«, murmelte Grasse. »Still liegen bleiben.«
Bull grunzte zustimmend, dann fuhr er fort: »Ich habe geschossen. Ich bin sicher, dass ich getroffen habe. Aber was es auch war, es hat zurückgeschossen.«
»Wie? Was hatte es für eine Waffe? Welche Technologie?«
»Ich bin mir nicht sicher. Das Geschoss war heiß. Gesehen habe ich nichts.«
»Jamie?«
Sie schüttelte den Kopf, dann neigte sie ihn zur Seite, als überlegte sie. Nach einigen Sekunden sagte sie: »Es war humanoid. Bull hat getroffen, aber als ich gefeuert habe, ist es verschwunden. Kein Treffer.«
»Humanoid? Bist du sicher? Wie groß?«
»Kleiner als ich. Dunkel. Vielleicht dunkelrot. Schwer zu sagen.«
»Haut, Pelz, Kleidung?«
Sie schüttelte wieder den Kopf. Diesmal schwieg sie.
»Wenn wir im Lager sind, musst du alles genau berichten«, befahl John, und er hatte das Gefühl, ihr zu drohen. Lange Reden entsprachen nicht ihrem Naturell, aber ebenso wenig zeigte sie eine besondere Reaktion auf seine Aufforderung.
»Die Wunde ist nur oberflächlich«, stellte Grasse fest. »Und teilweise kauterisiert. Sieht nach Brandwunde aus, aber sehr sauber. Ich kann Ihnen ein Schmerzmittel geben, Sarge.«
»Nein danke. Ich habe meine fünf Sinne lieber beisammen.«
»K-Spray?«
»Zur Hölle, nein.«
»Dann eben nur ein Pflaster«, befand Grasse. Tatsächlich aber legte sie schnell und geschickt einen Verband an, den sie mit Pflasterband fixierte.
John atmete erleichtert auf; Bull schien nicht schwer getroffen zu sein, und er wusste aus langer Erfahrung, dass der Beta so einiges wegstecken konnte.
»Rourke, Status?«
»Alles sauber, Boss«, rief der bullige Mann zurück.
»Können Sie gehen, Sarge?«
Bull nickte, und wie zur Bestätigung seiner Aussage schob er sich an dem Baum empor und kam halbwegs sicher auf die Füße. Zwar war ihm anzusehen, dass
ihm die Bewegungen seines linken Arms Schmerzen bereiteten, aber der Beta biss die Zähne zusammen und nickte seinem Leutnant zu.
»Gab es Spuren?«, fragte Bull unvermittelt. »Da drüben?«
John verneinte.
Der Sergeant runzelte die Stirn. »Ich habe es erwischt, da bin ich sicher. Mindestens ein Treffer. Gar nichts? Kein Blut?«
»Nichts, Sarge.«
»Verdammte Scheiße.«
John war geneigt, ihm Recht zu geben, stattdessen befahl er über sein Kehlkopfmikro: »Abrücken.«
Inzwischen war es komplett dunkel, und sie ließen die Lampen an ihren Waffen und Brillen aufleuchten. Kleine Kegel aus Licht, die fremdartige Ökologie zeigten, inmitten der nun allumfassenden Dunkelheit. Sie arbeiteten sich langsam zum Shuttle vor, wobei John darauf achtete, Bull zu schonen. Der Beta würde das nicht wollen, aber John konnte keine Rücksicht auf verletzten Stolz nehmen; auf Verwundungen allerdings schon.
Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten sie die freie Fläche um das Shuttle. Schlagartig fiel die Spannung von John ab, bleierne Müdigkeit ergriff von ihm Besitz. Er wollte nur noch schlafen, aber ein Teil von ihm ahnte, dass das eine Flucht wäre.
Er wollte sich der unangenehmen Wahrheit nicht stellen – man hatte sie heute hereingelegt, obwohl sie ihr Bestes gegeben hatten. Was immer auch da draußen
in der Finsternis lauerte, es hatte sich als schlauer und
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