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Missing in Action

Missing in Action

Titel: Missing in Action Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hardebusch
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Unter ihren Stiefeln knirschte die Plane, mit der sie den Raum ausgelegt hatten. Offenbar hatte schon jemand geputzt – in der Luft lag der Geruch von Blut und scharfem Reinigungsmittel.
    Grasse zögerte kurz, dann deckte sie eine der beiden Leichen auf. Es war Lambert. Die Haut war jetzt vom Blut gesäubert, aber sie wirkte blass und wächsern. Tot . Die Augen waren geschlossen und die Lider mit zwei dünnen Klebestreifen fixiert. Grasse hatte ein Tuch um den Kopf gewickelt, vom Kiefer über die Ohren, damit der Mund zu blieb. Die jetzt blutleeren Wunden wirkten wie schmale Münder im Fleisch. John hatte die Frau kaum gekannt, aber in ihm stieg dennoch Zorn auf. Niemand hatte das verdient.
    »Die Schnitte sind ungeheuer sauber. Die Haut und das darunter liegende Gewebe wurden glatt durchtrennt. Kaum Ausfransungen. Die Waffe war auf jeden Fall sehr scharf.«
    »Künstlich oder natürlich?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Ich kenne kein Raubtier, das derartige Wunden hinterlässt, aber das hätte ich über Namhs Wunde auch gesagt.«

    Natürlich hatte sie Recht. Woher sollten sie wissen, wie sich die Raubtiere dieses Planeten entwickelt hatten und über welche Waffen sie verfügten?
    »Es gibt eine Reihe von tiefen Stichverletzungen im Torso«, fuhr Grasse fort. »Bei beiden. Lunge, Magen, Darm, alles mehrfach perforiert. Aber ich glaube, die Todesursache war in beiden Fällen ein Schnitt über die Kehle. Allerdings ist das wirklich nur eine Vermutung. Ich bin keine Pathologin.«
    »Ich weiß«, brummte John. »Ich werde nachher eine Trauerrede halten, und ich bin kein Priester. Wir tun alle, was wir tun müssen.«
    Sie schluckte, nickte dann aber. Schon tat ihm seine raue Antwort leid. Es war der Anblick der Toten, der an seinen Nerven zerrte. Er konnte gar nicht so genau sagen, warum.
    »Weshalb die beiden allerdings tiefer in den Dschungel gegangen sind, kann ich nicht sagen. Die Wunden bieten da keine Hinweise. Es gibt keine Abwehrverletzungen an den Händen, nichts, was darauf hindeuten würde, dass sie sich gewehrt haben.«
    »Irgendwelche Drogen?«, vermutete John. »Psychoreaktive Substanzen? Wir waren mal auf einem Planeten, da gab es so eine verfluchte Pflanze, die ein Halluzinogen versprüht hat. Wir hätten uns beinahe gegenseitig abgeknallt, weil wir dachten, der jeweils andere wolle uns ans Leder.«
    »Für solche Tests fehlen uns hier an Bord die Mittel. Rein äußerlich und auf Sicht konnte ich nichts feststellen.«

    John seufzte. Er hatte von dieser rudimentären Autopsie nicht viel erwartet, aber natürlich dennoch insgeheim gehofft, dass sie ihnen irgendwelche Aufschlüsse über das Geschehen liefern würde. Nun erlosch diese Hoffnung, wie bereits so viele auf Tordesillas.
    »Tut mir leid, dass ich Ihnen das zumuten muss«, erklärte er unvermittelt. »Ist wohl nicht gerade das, wofür Sie bei SE angeheuert haben, was?«
    Bevor sie antwortete, hob sie die Decke wieder über Lamberts Gesicht und nahm dem Raum ein wenig von der drückenden Atmosphäre.
    »Wenn ich ehrlich sein soll …«
    »Bitte«, warf John ein, was sie mit einem Lächeln quittierte.
    »Justifiers haben keinen guten Ruf.«
    Sie sah ihn entschuldigend an, aber der Ex-Soldat winkte ab.
    »Als ich mich damals freiwillig gemeldet habe, also für die Armee, meine ich, da habe ich alle Konzernleute für geldgierige, skrupellose Typen gehalten. Justifiers natürlich besonders«, erklärte er. »Hauptsächlich Betas und Verbrecher sind dabei, hieß es, und jeder weiß doch, wie die sind. Ich war strikt gegen jede Art von Chimären-Gleichberechtigung. Justifiers, die waren schlimmer als Söldner, und für uns waren Söldner damals der Abschaum.«
    John lächelte, was sie wohl ermutigte zu sprechen. Ihm waren diese Vorurteile nicht gerade neu.
    »So ungefähr war es bei mir auch. Sie müssen verstehen, ich habe das komplette Ausbildungsprogramm
durchlaufen. Gardeurin, SpecOps, alles. Uns wurde immer eingetrichtert, dass wir die Elite der Truppen sind – die Besten der Besten eben. Und noch auf Farspace Horizon hätte ich gesagt, dass Justifiers genau das Gegenteil sind.«
    »Der Schleim, der auf dem Schaum schwimmt?«
    Jetzt musste sie lachen, und John lachte mit, auch wenn das natürlich keine vorteilhafte Beschreibung war.
    »Nicht ganz so schlimm, aber fast.«
    »Und jetzt?«
    »Jetzt weiß ich, dass ihr auch nur Menschen seid, die ihren Job machen. Oder zumindest nah dran, Menschen zu sein, was einige von euch betrifft.«
    John

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