Missing in Action
gefährlicher erwiesen, als John geglaubt hatte.
Mit einem Mal wusste er, warum ihm der Gedanke an Lamberts Gesicht so sehr mitnahm. Er hatte eine Ahnung, dass es nicht die letzte Leiche war, die sie auf diesem verfluchten Planeten würden beerdigen müssen.
9
Die Maschine legte sich in eine enge Kurve. Shakey zog sie direkt um den gewaltigen Felsen, der aus dem Urwald ragte. Das Manöver war nicht notwendig, aber er wollte das Ultraleicht testen und an seine Grenzen treiben. Kaum drei Meter von der rechten Flügelspitze entfernt rauschte der bewachsene Fels vorbei. Rostrote Flechten zogen sich über den Stein, bildeten verschlungene Muster, so komplex, dass er sie in der kurzen Zeit kaum wahrnehmen konnte. Dann richtete er die Maschine auf und flog geradeaus weiter.
Ein kurzer Blick auf die Energieanzeige bestätigte ihm, dass er erst zwanzig Prozent verbraucht hatte. Selbst mit einer Sicherheitsreserve von zehn Prozent konnte er seinen Erkundungsflug noch ein ganzes Stück weiter fortsetzen.
Bislang hatte es außer dem sich in alle Richtungen erstreckenden Dschungel nicht viel zu sehen gegeben. Shakey überlegte bereits, höher aufzusteigen, um ein
umfassenderes Bild ihrer momentanen Heimat zu bekommen, aber seit dem Absturz hatte er zu großen Respekt vor den höheren Luftschichten über Tordesillas, auch wenn sein Verstand ihm sagte, dass es irrationale Ängste waren. In die Regionen, in denen das Shuttle seinen Absturz begonnen hatte, konnte er mit dem Ultraleicht überhaupt nicht steigen.
Unter ihm zog sich die rötliche, urtümliche Waldlandschaft hin. Hier und da ragten größere Felsen daraus empor, aber alles in allem war die Gegend sehr flach. Manchmal wurde das monotone Rot durch dunkle Seen unterbrochen, deren Wasser aus der Luft so dunkelblau aussah, dass es fast schwarz wirkte. Über dem Dschungel hing leichter Dunst, trotz oder vielleicht wegen der heißen Sonne. Ebenso war der Himmel wieder einmal diesig, auch wenn es keine richtigen Wolkenformationen gab.
In regelmäßigen Abständen machte die fest installierte Kamera einzelne Bilder, die sich später zu einer großen Luftaufnahme zusammenfügen lassen würden. Theoretisch hätte er auch einen Film drehen können, aber die Einzelbilder waren mehr als ausreichend.
Shakey hielt auf einen weiteren See zu. Dieser war recht groß, mehr als einen Kilometer lang und über hundert Meter breit. Der kleine Pilot war so damit beschäftigt, in dem Gewässer nach Spuren von Leben zu suchen, dass er erst verdammt spät erkannte, worauf er noch zuflog.
Einige Klicks vor ihm brach der Urwald unvermittelt weg. Das Land, das sich hinter dieser Grenze befand,
lag Hunderte von Metern tiefer. Fasziniert beschleunigte Shakey das Ultraleicht.
Als er über die Kante hinausflog, jubelte er ob des erhebenden Gefühls laut auf. Unter ihm lag eine gewaltige Steilklippe, die senkrecht in die Tiefe stürzte. Der dunkle Fels war nur oben an einigen Stellen bewachsen, weiter unten war die Steilwand zu glatt.
Das Ultraleicht legte sich in eine langgezogene Kurve, die weiter nach unten führte. Am Fuß der Steilklippe gab es wieder Bewuchs, aber hier war nur vereinzelt rote Vegetation zu sehen. Die kleinen roten Punkte verschwanden bald in einem satten, dunklen Grün.
»Papa Bär, hier Flughund.«
»Hier Papa Bär. Sprechen Sie«, antwortete Akis Stimme. Der schlaksige Techniker hatte sich freiwillig gemeldet, um Shakeys Kontrolle im Shuttle zu sein, während sich Benson wieder als technischer Support angeboten und vermutlich immer noch einen Jieper darauf hatte, den Flieger selbst mal zu steuern.
»Unser Landeplatz liegt anscheinend auf einem Hochplateau. Ich habe zumindest einen Rand erreicht. Hier geht es weit runter … fünfhundert Meter, schätze ich. Unten ist andere Pflanzenwelt, grün statt rot.«
»Grün? Richtige Bäume?«
»Kann ich noch nicht sagen. Ich gehe jetzt runter und sehe mir das genauer an. Ich werde die Klippe ein wenig abfliegen und einen kurzen Abstecher über die Tiefebene machen.«
»Roger, Flughund. Papa Bär Over.«
Shakey grinste. Aki sprach gern so, als leite er einen
Tower, dabei saß er nur mit einem Nährstoffriegel und einem Proteinshake im Cockpit des Shuttles, die Beine im Schneidersitz verschränkt.
Da an der Felswand mit Aufwinden zu rechnen war, hielt Shakey vorsichtig Abstand und machte eine Reihe von Aufnahmen. Die Flanke des Plateaus sah aus wie ein Käse, mit lauter Löchern in anscheinend porösem Gestein.
Kaum einen
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