Mission Ares
Gründe mehr vor, die eine Definition neuer Ziele erfordert hätten. Zumal 1969 keine Bedrohung wahrgenommen wurde, die einem neuen Programm die notwendige politische Unterstützung gesichert hätte.
Dennoch hatte die NASA zwischen 1961 und 1968 in sechzig Studien die technische Durchführbarkeit einer Mars-Mission geprüft. Deshalb war es für die Visionäre ein Schlag ins Kontor, als die Bilder, welche die frühen Mariner-Sonden vom Mars zur Erde sandten, nur eine öde, mondähnliche Kraterlandschaft zeigten. Die wissenschaftliche Begründung für einen Marsflug wurde dadurch zwar nicht tangiert, doch als Kolonialwelt war der Mars nicht geeignet. Das hatte für die NASA zur Folge, daß manche Programme gestreckt und andere gestrichen wurden.
Erschwerend kam hinzu, daß während der Apollo-Periode die NASA die Langfristplanung vernachlässigte und deshalb
schlecht auf 1969 vorbereitet war.
Allerdings war das eine bewußte Politik von James Webb,
dem NASA-Direktor von 1961 bis 1968. Webb war nämlich
der Ansicht, daß der Erfolg von Apollo das Selbstbewußtsein der Bevölkerung der USA stärken und daß auch nur der
geringste Hinweis auf die Planung eines ebenso langfristigen wie kostspieligen Mars-Programms die NASA des Quentchens Kraft berauben würde, die sie für die Durchführung von Apollo brauchte.
Schon 1966 geriet der NASA-Etat unter Druck.
Am 16. September 1968 trat Webb zurück, nachdem er sich
mit Johnson wegen der letzten Kürzungen überworfen hatte.
Als die ›Arbeitsgruppe Weltraum‹ die Arbeit aufnahm, waren nur die Finanzierung der Apollo-Mondlandungen sowie eines Anschlußprogramms für die Apollo-Anwendung gesichert.
Präsident Nixon war an sich kein Gegner der Raumfahrt. Doch war die neue Regierung nicht imstande, mit Blick auf den andauernden Vietnamkrieg große Summen in die Raumfahrt zu investieren. Davon wurde der neue NASA-Direktor Thomas O.
Paine in Kenntnis gesetzt, während er mit Nixon zu der Stelle flog, wo Apollo 11 gewassert war.
In Anbetracht derart deutlicher Signale taktierte die NASA unter Paine politisch äußerst ungeschickt.
Schon in der Vorlage an die ›Arbeitsgruppe Weltraum‹ klagte
∗
die NASA solch hehre Ziele ein wie ›Kommonalität‹ ,
›Wiederverwendbarkeit‹ und ›Wirtschaftlichkeit‹ – das
Programm, mit dem die NASA liebäugelte, war ausbaufähig
und teuer und umfaßte eine Raumstation, eine bemannte Mars-Mission, eine neue Generation automatisierter Raumschiffe sowie Forschungs-und Technik-Programme. Diese Taktik war kontraproduktiv. Selbst Befürworter bescheidenerer Programme, für die der Weg – sprich der Flug zum Mars – das Ziel war, gingen auf Distanz.
Als die NASA dann noch versuchte, den Nutzen staatlich
geförderter Forschung und Entwicklung hervorzuheben, trat sie in den nächsten Fettnapf. Es bestand kein Zweifel daran, daß die NASA ein erstaunlicher Erfolg war – als technokratische Übung in Managementwissenschaften und Projektsteuerung.
Zumal nur ein Fünftel der Rede, die Kennedy 1961 gehalten hatte, der Raumfahrt gewidmet war: Kennedy hatte das
∗ Verwendung von gleichen Bauteilen bei verschiedenen Modellen – Anm.
d. Übers.
Raumfahrtprogramm nämlich als Teil einer umfassenden
technokratischen Lösung für diagnostizierte Bedrohungen und Probleme betrachtet – Bekämpfung der Armut im eigenen
Land, Eindämmung der kommunistischen Expansion, Hilfe für die Dritte Welt.
1969 stand bereits fest, daß die Technokratie bei der
Verwirklichung der großen Ziele versagt hatte. Profitiert hatte allein der Machtkomplex des technokratischen Staats. Nixon schien die antitechnokratische Grundströmung seiner Zeit zu spüren, und er erkannte auch, daß die Technokratie im Widerspruch zu Amerikas älterer, Jefferson’scher Tradition stand, die Politik auf kommunaler Ebene sowie demokratische Mitsprache favorisierte.
Im Verlauf des Jahres 1969 wurden auch die Mittel für
NERVA gekürzt, das Forschungsprogramm für nukleare
Raketen, an dem man seit 1957 in Nevada arbeitete. Obwohl die Versuchsstation in Nevada erst 1972 geschlossen werden sollte, machten die Einschnitte im Jahr 1969 bereits alle Hoffnungen auf die Flugerprobung einer nuklearen Rakete zunichte. Ohne NERVA, die als Grundvoraussetzung für eine Mars-Expedition betrachtet wurde, war die Schlacht um den Mars verloren. (Im Roman gelingt NASA-Managern es, diese Kürzungen zu verhindern.) Vor diesem Hintergrund – und ohne einen starken
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