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Mission Arktis

Titel: Mission Arktis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Rollins
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Tier unermüdlich die Gegend durchkämmte. Er war das ultimative Raubtier, gnadenlos, hartnäckig, unentrinnbar. Wie ein altes InuitSprichwort es auf den Punkt brachte: »Nicht die Kälte ist tödlich, sondern der Wind.«
    Steten Schrittes arbeitete Perry sich vorwärts, hinein in die scharfen Zähne des eisigen Sturms. Hinter ihm trieb die Polar Sentinel in einer Polynja, einem großen offenen See mitten im Eis. Die Driftstation Omega war an seinem Ufer erbaut worden, sodass ein NavyU-Boot leichten Zugang hatte und ebenso leicht wieder ablegen konnte. Die Polynja verdankte ihre Stabilität dem Ring dicker Presseisrücken, die den See umgaben, so hoch wie ein einstöckiges Haus und ungefähr viermal so tief unter die Wasseroberfläche ragend. Diese Bollwerke aus Packeis hielten den See frei von den Eisschollen, die ihn umgaben. Die Forschungsstation lag auf einer relativ ebenen Eisfläche etwa vierhundert Meter entfernt – bei den weit unter dem Gefrierpunkt liegenden Temperaturen ein langer Fußmarsch.
    Begleitet wurde Perry von einer kleinen Gruppe Männer, die erste von vier Abteilungen, die abwechselnd Landgang hatten. Die Seeleute unterhielten sich angelegentlich, aber Perry hatte sich in seinen NavyParka verkrochen und seine pelzgefütterte Kapuze weit in die Stirn gezogen. Immer wieder starrte er nach Nordosten, wo vor zwei Monaten knapp fünfzig Kilometer von hier die russische Eisstation entdeckt worden war. Wieder schauderte er, aber jetzt hatte es nichts mit der Kälte zu tun.
    So viele Tote … Ständig stellte er sich die Leichen vor, die ehemaligen Bewohner der Eisstation, aufgestapelt wie Klafterholz, nachdem sie aus ihrem eisigen Grab gesägt oder getaut worden waren. Zweiunddreißig Männer, zwölf Frauen. Zwei Wochen hatten sie gebraucht, um alle Leichen zu bergen. Manche sahen aus, als wären sie verhungert, andere, als hätten sie einen gewaltsameren Tod erlitten. Einen Mann hatten sie erhängt vorgefunden, das Seil so tiefgefroren, dass es bei der ersten Berührung zerbrach. Aber das war längst nicht das  Schlimmste …
     
    Perry versuchte, die Erinnerung zu verdrängen. 
    Als er über einen Eisrücken kletterte, in den zur leichteren Begehbarkeit Stufen gehauen waren, kam die Driftstation in Sicht. Sie bestand aus einer Ansammlung von fünfzehn roten JameswayHütten, die auf dem Eis wie ein blutig gekratzter Ausschlag wirkten. Rauch stieg aus den Hütten auf und hing wie Nebel über ihnen, was dem Ganzen einen irreführend warmen Eindruck verlieh. Das Brummen von vierundzwanzig Generatoren schien den Nebel in Schwingungen zu versetzen. Über allem hing der Geruch nach Diesel und Benzin. Von einem Pfosten hing eine einsame amerikanische Flagge und knatterte gelegentlich in einer heftigen Windbö.
    Um die halbpermanente Siedlung herum standen ein paar Motorschlitten, so genannte SkiDoos, und zwei Sno-CatPistenfahrzeuge, bereit, den Wissenschaftler und dem Personal der Basis zu Diensten zu sein. Es gab sogar ein Eisboot, ein Katamaran auf Edelstahlkufen.
    Perry starrte zum Horizont. Er sah den ausgetretenen Pfad, der sich über das Eis schlängelte, von Omega hinaus zu der alten russischen Basis. Seit der grässlichen Entdeckung war die Besatzung auf der Eiskappe mit allen verfügbaren Fahrzeugen hin- und hergefahren. Momentan war ein Viertel der Arbeitskräfte der Driftstation zur russischen Basis abgestellt und campierte in dem umgekehrten Eisberg.
    Perry konnte die Augen nicht abwenden. Der Weg zur russischen Basis war leicht zu erkennen. Dieser Bereich der Eiskappe war mit einer Schicht so genannter sastrugi bedeckt, mit kleinen Wellen gefrorenen Schnees, geformt von Wind und Erosion. »Wie ein ZitronenBaiser«, hatte sein Erster Offizier gemeint. Aber der von den Sno-Cats und den SkiDoos benutzte Weg hatte das Baiser platt gewalzt und eine ausgefranste Rille durch die Wellen gezogen.
    Natürlich konnte Perry das Interesse der Männer und Frauen hier verstehen. Sie waren Wissenschaftler und demzufolge neugierig. Aber er hatte als Erster die knapp fünfzig Kilometer von Omega zu der ehemaligen russischen Basis zurückgelegt. Niemand wusste, was er und die kleine Gruppe, die er mitgenommen hatte, im Herzen der Station vorgefunden hatten. Er hatte seinen Männern absolutes Stillschweigen auferlegt und bewaffnete Wachen eingesetzt, die dafür sorgten, dass dieser Teil der Station von den OmegaLeuten nicht betreten wurde. Nur ein einziges Mitglied der Driftstation wusste von Perrys Entdeckung:

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