Mission Arktis
die Gesundheit des Phyto- und Zooplanktons unter dem Eis untersuchte. Die Forschungsarbeiten liefen ununterbrochen rund um die Uhr, während die Station mit dem Polarstrom weiterdriftete und sich jeden Tag etwa drei Kilometer fortbewegte.
Perry nickte den vielen bekannten Gesichtern hinter den Schreibtischen und vor den Computerbildschirmen freundlich zu. Dann durchquerte er eine Art Luftschleuse, die in eine der angrenzenden Hütten führte.
Diese Hütte war extra isoliert und hatte zwei BackupGeneratoren. Hier befanden sich Omegas lebenswichtige Verbindungen zur Außenwelt, nämlich die gesamte Funk- und Kommunikationsausrüstung: Kurzwelle für den Kontakt mit den Teams auf dem Eis, VLF und ULF für die Kommunikation mit den der Station zugeteilten U-Booten und NAVSAT, das militärische Satellitenkommunikationssystem. Die Hütte war leer bis auf die einsame Gestalt von Amanda Reynolds.
Perry ging auf sie zu. Sie blickte von dem TTY auf, einer Texttelefoneinheit für Hörgeschädigte, die es ihr mit Hilfe einer tragbaren Tastatur ermöglichte, über Satellit zu kommunizieren. Sie konnte in das Mikrofon sprechen und die Antworten erschienen auf dem LCD- Bildschirm.
Amanda nickte Perry zu, sprach aber weiter mit ihrem Vater, Admiral Reynolds. »Ich weiß, Dad. Ich weiß, dass du von Anfang an dagegen warst, dass ich hierher komme. Aber …«
Sie wurde unterbrochen und beugte sich noch näher über das TTY. Ihr Gesicht rötete sich, offensichtlich war sie in einen Streit verwickelt. Allem Anschein nach ein alter Streit. Ihr Vater hatte nie gewollt, dass Amanda diesen Auftrag übernahm, weil er sich Sorgen um sie machte, unter anderem natürlich wegen ihrer Behinderung. Aber Amanda hatte ihre Unabhängigkeit behauptet, indem sie trotzdem gekommen war.
Doch Perry fragte sich, ob es nur darum ging, ihren Vater zu überzeugen, oder nicht auch darum, sich selbst Mut zu machen. Noch nie war ihm eine Frau begegnet, die so wild entschlossen war, sich in jeder Hinsicht, in allen Bereichen zu beweisen.
Und das forderte natürlich seinen Tribut.
Perry sah den erschöpften Ausdruck in ihrem Gesicht, die dunklen Augenringe. In den letzten zwei Monaten schien sie um ein Jahrzehnt gealtert zu sein. Das passierte, wenn man Geheimnisse hatte.
Mit ziemlich erregter Stimme sagte sie ins Telefon: »Das besprechen wir später. Captain Perry ist gerade reingekommen.«
Mit angehaltenem Atem las sie die Antwort ihres Vaters und biss sich auf die Unterlippe. »Na gut!«, fauchte sie schließlich, riss sich das Headset vom Kopf und schob es Perry hin.
Er nahm es und bemerkte dabei, dass ihre Finger zitterten. Wut, Frustration oder beides? Rasch bedeckte er das Mikro mit der Hand, denn er wollte nicht, dass jemand außer Amanda seine nächsten Worte hörte. »Hält er die Information immer noch unter Verschluss?«
Wutschnaubend stand Amanda auf. »Und unter elektronischer Verschlüsselung und Stimmerkennung und Netzhautabtastung. Fort Knox könnte nicht sicherer sein.«
Perry grinste sie an. »Er tut sein Bestes. Die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. Bei derart heiklen Angelegenheiten müssen diplomatische Kanäle äußerst feinfühlig gehandhabt werden.«
»Aber ich sehe das nicht ein. Die Geschichte geht auf den Zweiten Weltkrieg zurück. Nach so langer Zeit hat die Welt das Recht, die Wahrheit zu erfahren.«
»Die Welt hat fünfzig Jahre gewartet, da macht ein Monat oder so auch keinen großen Unterschied mehr. Bei dem ohnehin gespannten Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und Russland muss das Räderwerk geölt werden, ehe die Information freigegeben wird.«
Amanda seufzte, sah ihm in die Augen und schüttelte den Kopf. »Du klingst schon genau wie mein Vater.«
Perry beugte sich über sie. »In unserem Fall wäre das kolossal freudianisch.« Er küsste sie.
Unter seinen Lippen verzog sich ihr Mund zu einem Lächeln, und sie murmelte: »Du küsst auch genau wie er.«
Mit einem leisen Lachen löste er sich von ihr.
Sie deutete auf das Headset. »Du solltest den Admiral lieber nicht warten lassen.«
Er schob es zurecht und zog das Mikro an seinen Platz. »Hier Captain Perry.«
»Captain, ich vertraue Ihnen, dass Sie gut auf meine Tochter aufpassen!« Seine Stimme klang scharf.
»Ja, Sir … sehr gut sogar.« Er griff nach Amandas Hand und drückte sie fest. Ihre Zuneigung füreinander war kein Geheimnis, aber in den letzten zwei Monaten hatte sie sich vertieft und sich zu etwas Bedeutungsvollerem entwickelt. Der Korrektheit
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